Chaos auf der neuen Stadt­bahn

Hier ist eine Aus­wahl in der Ber­li­ner Zei­tung er­schie­ne­ner Ar­ti­kel zur Wie­der­er­öff­nung des Fern­bahn­ver­kehrs auf der Ber­li­ner Stadt­bahn am 24. Mai 1998, ei­nem Sonn­tag. Da das Ar­chiv der Ber­li­ner Zei­tung on­line nicht mehr er­reich­bar ist und die Ar­ti­kel auch mit der Such­funk­tion dort nicht ge­fun­den wer­den, habe ich die vor ei­ni­gen Jah­ren ge­sich­er­ten Ar­ti­kel hier zu­sam­men­ge­stellt.

Datum:
23.05.1998

Ressort:
Lokales

Autor:
Peter Neu­mann

Seite:
17

Bahn frei: Von Sonn­tag an fährt der ICE mit­ten durch die Stadt

Endspurt auf der frisch sa­nier­ten Stadt­bahn im Zen­trum Ber­lins: Auf dem Haupt­bahn­hof legt ein In­ter­ci­ty Ex­press bei ei­ner Pro­be­fahrt einen kur­zen Halt ein, auf dem Bahn­steig gibt ein Ar­bei­ter dem neuen Pfla­ster den letz­ten Schliff. Von die­sem Sonn­tag an rol­len wie­der Fern- und Re­gio­nal­zü­ge über den Via­dukt, den der Bund und die Deut­sche Bahn für zwei Mil­liar­den Mark er­neu­er­ten. Eben­falls am Sonn­tag er­hält der Haupt­bahn­hof sei­nen al­ten Na­men zu­rück: Um 9 Uhr wird die Sta­tion fei­er­lich in Ost­bahn­hof rück­be­nannt. (pn.)

Datum:
25.05.1998

Ressort:
Lokales

Autor:
Peter Neu­mann

Seite:
19

Cha­os auf der neuen Stadt­bahn: Züge fie­len aus, Bahn­hö­fe über­füllt

Ursache für Zu­sam­men­bruch des Fern- und Re­gio­nal­ver­kehrs un­klar

Nach fast vier Jah­ren Bau­ar­bei­ten rol­len seit Sonn­tag wie­der Fern- und Re­gio­nal­zü­ge über die Stadt­bahn. Doch der Be­trieb auf der für zwei Mil­liar­den Mark sa­nier­ten Stre­cke zwi­schen Zoo und Ost­bahn­hof be­gann mit ei­nem Cha­os. Wäh­rend sich die Züge vor ro­ten Sig­nal­lich­tern stau­ten und Ex­per­ten von der Deut­schen Bahn (DB) über die Ur­sa­chen rät­sel­ten, wuchs auf den Bahn­hö­fen die Wut der Fahr­gä­ste.

Züge nach München Za­greb, Ham­burg, Prag Bu­da­pest und Wien fie­len aus. „Ich habe mich zum er­sten und letz­ten Mal für die Bahn ent­schie­den. Kein Wun­der, daß hier Lynch-At­mo­sphä­re herrscht“, sag­te Nico Kla­wa, der auf dem Ost­bahn­hof mit Hun­der­ten an­de­ren Pas­sa­gie­ren ver­geb­lich auf sei­nen Zug war­te­te. Fast alle an­de­ren Fahr­ten star­te­ten bis zum spä­ten Abend mit oft mehr­stün­di­gen Ver­spä­tun­gen, ein Eu­ro­ci­ty nach War­schau brach­te es auf fast vier Stun­den. In vie­len Städ­ten war­te­ten Tau­sen­de Fahr­gä­ste ver­ge­bens auf die Züge. „Schon auf mei­ner Fahrt nach Ber­lin gab es Cha­os. Das näch­ste Mal flie­ge ich“, sag­te Chri­stian Stoldt aus Es­sen. Auf dem über­füll­ten Bahn­hof Zoo stell­ten Wach­schutz­leu­te Roll­trep­pen ab, da­mit nicht noch mehr Men­schen auf die Bahn­stei­ge ström­ten. Für die Fahr­gä­ste gab es kaum In­for­ma­tio­nen. Am Zoo hieß es le­dig­lich: „Mit­tei­lun­gen über Ver­spä­tun­gen kön­nen der­zeit nicht ge­macht wer­den.“ An­zei­gen auf den Bahn­stei­gen funk­tio­nier­ten nicht. Im Ost­bahn­hof war die elek­tro­ni­sche Ta­fel für die Ab­fahrts­zei­ten am Mor­gen ab­ge­schal­tet wor­den. Rei­sen­de rät­sel­ten, wo­hin die we­ni­gen ver­keh­ren­den Re­gio­nal­ex­preß­zü­ge fuh­ren: An den fa­brik­neu­en Dop­pel­stock­wa­gen (Stück­preis: drei Mil­lio­nen Mark) blie­ben die Ziel-An­zei­gen dun­kel.

DB-Mitarbeiter zeig­ten sich rat­los. Die Wie­der­auf­nah­me des Be­triebs war sechs Tage lang ge­probt wor­den. Über Laut­spre­cher hieß es, eine Sig­nal­stö­rung sei schuld am Cha­os, an­de­re Bah­ner spra­chen von Feh­lern in den neuen Stell­wer­ken bei­des wies Ber­lins Fern­ver­kehrs-Chef Joa­chim Kieß­ling zu­rück. Zug­be­glei­te­rin­nen sag­ten, Züge sei­en an ih­ren Start­punk­ten viel zu spät ein­ge­setzt wor­den, Kol­le­gen nicht zum Dienst er­schie­nen. DB-Spre­che­rin Mar­le­ne Schwarz mel­de­te „Stö­run­gen im Be­triebs­ab­lauf“, die sich auf der mit täg­lich 356 Fern- und Re­gio­nal­zü­gen be­la­ste­ten Stadt­bahn „wie beim Do­mi­no“ fort­ge­pflanzt hät­ten.

Datum:
26.05.1998

Ressort:
Politik

Autor:
Peter Neu­mann

Seite:
01

Cha­os im Zug­ver­kehr dau­ert an – Ber­li­ner Pan­nen wir­ken sich im gan­zen Bun­des­ge­biet aus

BERLIN, 25. Mai. Die Pan­nen­se­rie im Ber­li­ner Ei­sen­bahn­ver­kehr hat sich am Mon­tag fort­ge­setzt. Wie schon am Sonn­tag fuh­ren fast alle Züge mit min­de­stens halb­stün­di­gen Ver­spä­tun­gen ab, in meh­re­ren Fäl­len war­te­ten Fern­rei­sen­de und Pen­dler meh­re­re Stun­den oder ganz ver­geb­lich auf ihre Bahn. Das Cha­os in Ber­lin wirk­te sich auf den deut­schen und in­ter­na­tio­na­len Zug­ver­kehr aus. So star­te­ten am Mit­tag der ICE nach Bonn so­wie der In­ter­re­gio nach Am­ster­dam mit je­weils über zwei Stun­den Ver­spä­tung. An­ga­ben, wann sich der Be­trieb von und nach Ber­lin nor­ma­li­siert, konn­te die Deut­sche Bahn (DB) auch am Mon­tag nicht ma­chen.

Mitarbeiter der DB ge­hen da­von aus, daß die teil­wei­se chao­ti­schen Zu­stän­de vor al­lem or­ga­ni­sa­to­ri­sche Grün­de ha­ben. So sei der am Sonn­tag in Kraft ge­tre­te­ne Fahr­plan „zu eng“, so daß Ver­spä­tun­gen nicht aus­ge­gli­chen wer­den könn­ten. Das neue elek­tro­ni­sche Stell­werk in Ber­lin-Rum­mels­burg sei nicht leicht zu hand­ha­ben. Auf­grund der Tren­nung des Bahn-Un­ter­neh­mens in ver­schie­de­ne Ge­schäfts­be­rei­che „weiß ein Mit­ar­bei­ter oft nicht, was der an­de­re macht“, so ein DB-Be­schäf­tig­ter.

„Unglückliche Um­stän­de“

Auch am Montag klag­ten Fahr­gä­ste über man­geln­de In­for­ma­tio­nen. Bahn-Mit­ar­bei­ter konn­ten nicht sa­gen, wann die Züge fah­ren. Elek­tro­ni­sche Zug­ziel-An­zei­gen auf Bahn­stei­gen und an Re­gio­nal­ex­preß­wa­gen funk­tio­nier­ten nicht.

„Es kamen ein paar un­glück­li­che Um­stän­de zu­sam­men“, räum­te Fir­men-Spre­cher Chri­stian Hop­pe ein. Die Wie­der­in­be­trieb­nah­me der für zwei Mil­liar­den Mark sa­nier­ten Stadt­bahn so­wie des neuen Be­triebs­werks Rum­mels­burg hät­ten zu den Be­ein­träch­ti­gun­gen ge­führt, teil­te die DB mit. Der Bahn-Vor­stand hat be­reits am Sonn­tag eine Ex­per­ten­grup­pe ein­ge­setzt, um die Ur­sa­chen zu ana­ly­sie­ren. Ein Groß­teil der In­ter­re­gio-Züge wur­de von der stark be­la­ste­ten Stadt­bahn ge­nom­men und über Ber­lin-Lich­ten­berg um­ge­lei­tet. Die Zahl der Ser­vice-Mit­ar­bei­ter wur­de er­höht, die Fahr­dienst­lei­tun­gen in den Bahn­hö­fen ver­stärkt. „Die Deut­sche Bahn ent­schul­digt sich bei al­len Fahr­gä­sten“, hieß es. Wer ein Taxi neh­men oder im Ho­tel über­nach­ten muß­te, be­kom­me die­se Ko­sten er­stat­tet.

(Kommentar Seite 4 , Sei­te 17)

Datum:
26.05.1998

Ressort:
Politik

Autor:
Peter Neu­mann

Seite:
04

Mit der Bahn in den Stau

Wäre bei dem um­welt­freund­li­chen Ver­kehrs­mit­tel Ei­sen­bahn ein GAU mög­lich, hät­te er jetzt in Ber­lin statt­gefun­den. Meh­re­re zehn­tau­send Men­schen, mit Hil­fe ei­ner teu­ren Wer­be­kam­pagne zu der für zwei Mil­liar­den Mark sa­nier­ten Stadt­bahn ge­lockt, er­leb­ten ein trau­ri­ges De­sa­ster.

In nur wenigen Stun­den hat das selbst­er­nann­te „Un­ter­neh­men Zu­kunft“ den über Jah­re auf­ge­bau­ten Kre­dit durch schlechte Or­ga­ni­sa­tion, Über­for­de­rung und Schlam­pe­rei ver­spielt. Daß die Züge wie auf ei­ner Au­to­bahn im Stau stan­den und sich um meh­re­re Stun­den ver­spä­te­ten, war nicht ein­mal das Schlimm­ste. Viel be­denk­li­cher ist, daß der Zu­sam­men­bruch ab­zu­se­hen war. Das lag zum einen an dem aus Pre­stige­grün­den mit zu vie­len Zü­gen über­la­de­nen Fahr­plan, der kaum Zeit­puf­fer für den Aus­gleich von Ver­spä­tun­gen auf­wies. Zum an­de­ren war der grö­ßte Fahr­plan­wech­sel in der Ge­schich­te Ber­lins schlecht vor­be­rei­tet sechs Tage Pro­be­be­trieb auf der Stadt­bahn wa­ren zu we­nig, die Mit­ar­bei­ter wur­den nicht aus­rei­chend ge­schult. Eben­so gra­vie­rend sind die struk­tu­rel­len Grün­de: Bei der in vie­le Ge­schäfts­be­rei­che zer­glie­der­ten Bahn hat nie­mand mehr den Über­blick wes­halb rat­lo­se Fahr­gä­ste auch kei­ne zu­frie­den­stel­len­den Ant­wor­ten auf ihre Fra­gen be­ka­men. Die Bahn hat un­zäh­li­ge gut­wil­li­ge Kun­den ent­täuscht. Sie wird lan­ge brau­chen, um die­se Ka­ta­stro­phe ver­ges­sen zu ma­chen.

Datum:
26.05.1998

Ressort:
Lokales

Autor:
Jan Thom­sen

Seite:
17

Ge­läch­ter für die Bit­te um Ver­ständ­nis

Bahnhof Zoo: Reisende war­te­ten bis zu zwei Stun­den

Auf dem Bahnhof Zoo­lo­gi­scher Gar­ten steht Oli­ver Köh­ler. „Ich bin jetzt seit an­dert­halb Jah­ren beim Bund“, sagt der 21­jäh­ri­ge, „aber das ist mir noch nie pas­siert, daß ich we­gen der Bahn mon­tags nicht zum Dienst er­schei­nen konn­te“, sagt er. „Wenn ich Pech habe, wird mir da­für ein Tag Ur­laub ge­stri­chen.“ Die Stan­dard­ant­wort der Deut­schen Bahn (DB) auf sol­che Vor­wür­fe war ge­stern am Bahn­hof Zoo im­mer wie­der über die Laut­spre­cher zu hö­ren: „Wir bit­ten um Ihr Ver­ständ­nis.“ Ver­ständ­nis für Zug­ver­spä­tun­gen von ei­ner hal­ben bis zu zwei Stun­den. Ver­ständ­nis für Schie­nen­er­satz­ver­kehr nach Bran­den­burg mit Bus­sen und stän­dig wech­seln­de Glei­se. Die Stim­mung in der Hal­le ist trotz des Ab­fahrts­cha­os eher hei­ter. Vie­le Rei­sen­de quit­tie­ren Durch­sa­gen wie „Die Wei­ter­fahrt ver­zö­gert sich auf un­be­stimm­te Zeit“ mit Ge­läch­ter. Ha­ben die Men­schen das Ver­ständ­nis, um das die Bahn sie bit­tet? Der Mann vom Ser­vice­schal­ter in der dun­kel­blau­en DB-We­ste nickt. „Es geht schon, es ist gut“, sagt er und wen­det sich wie­der den Kun­den zu. Doch die An­stren­gung steht ihm ins Ge­sicht ge­schrie­ben. Denn nicht alle neh­men es leicht.

Ein junger Mann fühlt sich be­son­ders pro­vo­ziert. „Wol­len Sie das nicht mal ab­wi­schen?“ fragt er auf­ge­bracht und zeigt auf eine gro­ße blaue Ta­fel ne­ben dem Auf­gang zur Fern- und Re­gio­nal­bahn. „Un­se­re Pünkt­lich­keit“ steht dar­auf. Die Zahl der fahr­plan­mä­ßig ab­ge­fer­tig­ten Züge läßt sich dort ab­le­sen. Die Wer­te sind be­ein­dru­ckend: Für den Fern­ver­kehr gab es am Zoo­lo­gi­schen Gar­ten 92 Pro­zent pünkt­li­che Züge, im Nah­ver­kehr wa­ren es gar 100 Pro­zent. Al­ler­dings stam­men die Zah­len vom vo­ri­gen Frei­tag, dem 22. Mai 1998. „Das macht die Leu­te doch nur wü­ten­der, wenn sie das le­sen. Mein Zug hat auch Ver­spä­tung, und da vorne steht 100 Pro­zent!“

Datum:
26.05.1998

Ressort:
Lokales

Autor:
-

Seite:
17

Stö­run­gen im Schie­nen­ver­kehr

Etliche Züge fie­len aus

Der Zug-Stau auf der für rund zwei Mil­liar­den Mark sa­nier­ten Stadt­bahn zwi­schen Zoo und Ost­bahn­hof dau­er­te auch am Mon­tag an.

Fast alle Zug-Ver­bin­dun­gen über die Stadt­bahn wa­ren er­neut ge­stört.

Zug-Ausfälle tra­ten ge­stern nicht so häu­fig auf wie am Sonn­tag. Dies­mal wa­ren vor al­lem Re­gio­nal­ex­preß­zü­ge be­trof­fen. Bei­spie­le: Auf der Stre­cke von Zos­sen in Rich­tung Ber­lin ent­fie­len vor­mit­tags zwei Züge, auf der Ver­bin­dung Ber­lin Für­sten­wal­de dünn­ten Aus­fäl­le wäh­rend des Be­rufs­ver­kehrs das Zug­an­ge­bot aus.

Zug-Verspätungen von 30 bis 60 Mi­nu­ten wa­ren ge­stern die Re­gel, am Nach­mit­tag mel­de­te die DB als Durch­schnitts­wert 25 Mi­nu­ten. Der In­ter­re­gio 2342 nach Am­ster­dam fuhr fast drei Stun­den, der ICE 846 nach Bonn zwei Stun­den spä­ter ab.

Zug-In­for­ma­tio­nen wa­ren rar. Zwar funk­tio­nier­te die neue An­zei­ge­ta­fel im Ost­bahn­hof wie­der, Ver­spä­tun­gen und Aus­fäl­le wur­den dar­auf je­doch nicht ge­mel­det. Auf den Zug­ziel-An­zei­gen am Alex­an­der­platz hieß es nur: „An­sa­ge be­ach­ten“. Auch an vie­len neuen Dop­pel­stock­wa­gen fehl­ten An­ga­ben über die Fahrt­zie­le. An­geb­lich gab es Pro­ble­me bei der Pro­gram­mie­rung der An­zei­ge­ta­feln.

Zug-Probleme hat­ten Rei­sen­de of­fen­bar hung­rig ge­macht. In den Im­biß- und Ge­trän­ke-Au­to­ma­ten ei­ni­ger Re­gio­nal­ex­preß­zü­ge wa­ren Sand­wi­ches (Stück: 4,50 Mark) aus­ver­kauft.

Datum:
26.05.1998

Ressort:
Lokales

Autor:
Peter Neu­mann

Seite:
17

Wei­ter Pan­nen auf der Stadt­bahn Kun­den er­hal­ten Geld zu­rück

Expertengruppe sucht Ur­sa­che / In­ter­re­gios wer­den um­ge­lei­tet

Chaos beherrschte auch ge­stern den Ei­sen­bahn­ver­kehr von und nach Ber­lin. Wie schon am Sonn­tag fuh­ren fast alle Züge mit Ver­spä­tun­gen, Fahr­gä­ste klag­ten über man­geln­de In­for­ma­tion, Mit­ar­bei­ter der Deut­schen Bahn (DB) zeig­ten sich rat­los. Ganz so schlimm wie Sonn­tag war es nicht: Die Bahn wies dar­auf hin, sie habe die „Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten des Vor­ta­ges deut­lich ge­senkt“. Ei­ni­ge Re­gio­nal­ex­preß­zü­ge tra­fen tat­säch­lich auf die Mi­nu­te pünkt­lich in Ber­lin ein. Doch wa­ren die ra­ren fahr­plan­mä­ßi­gen Fahr­ten nicht vor­her­zu­se­hen. Auch heu­te wird es laut DB in Ber­lin wie­der zu Ver­spä­tun­gen kom­men.

Eine vom DB-Vor­stand ein­ge­setz­te Ex­per­ten­grup­pe soll nun nach den Ur­sa­chen der Stö­run­gen fahn­den. Nach Mei­nung von Bahn-Be­schäf­tig­ten ist die Ur­sa­che klar: „man­geln­de Übung“. Es wäre nicht ge­lun­gen, alle Be­tei­lig­ten aus­rei­chend auf die neuen An­for­de­run­gen vor­zu­be­rei­ten trotz ei­nes sechs­tä­gi­gen Pro­be­be­triebs auf der Stadt­bahn zwi­schen Zoo und Ost­bahn­hof. Ein DB-Mann: „Ar­beits­schrit­te, die in 30 Se­kun­den er­le­digt wer­den müß­ten, dau­ern das Dop­pel­te“, an­ge­fan­gen mit der Zug-Be­reit­stel­lung. Der seit Sonn­tag gel­ten­de Fahr­plan, der täg­lich 356 Fern- und Re­gio­nal­zü­ge auf der Stadt­bahn vor­sieht, sei „zu eng“. So wer­den für den Lok­wech­sel, der im Ost­bahn­hof am In­ter­re­gio Chem­nitz Ro­stock vor­zu­neh­men ist, in ei­nem Fall nur vier Mi­nu­ten ein­ge­plant nor­mal sei­en 15 Mi­nu­ten. Das Durch­ein­an­der führ­te auch ge­stern dazu, daß Lok­füh­rer und Zug­be­glei­ter un­pünkt­lich zu ih­rem Dienst er­schie­nen. Fol­ge: Züge fie­len aus oder muß­ten lan­ge auf die Wei­ter­fahrt war­ten. Ei­nen „To­tal­aus­fall“ des neuen Stell­werks Ber­lin-Rum­mels­burg habe es nicht ge­ge­ben, hieß es. Doch sei der Com­pu­ter bei grö­ße­rem Zug-Auf­kom­men schwer zu hand­ha­ben. Das Bahn-Cha­os sei „haus­ge­macht“, sag­te Mi­cha­el Cra­mer, ver­kehrs­po­li­ti­scher Spre­cher von Bünd­nis 90/Die Grü­nen: „Vor dem neuen Stell­werk stan­den ver­dutz­te Mit­ar­bei­ter und wuß­ten nicht, wie es zu be­die­nen ist.“

Der Forderung des Fahr­gast­verbands IGEB, die DB müs­se Züge von der Stadt­bahn neh­men, wur­de ent­spro­chen: Seit ge­stern wer­den die In­ter­re­gios nach Ro­stock, Chem­nitz, Stral­sund so­wie Frank­furt am Main „vor­läu­fig“ über Lich­ten­berg um­ge­lei­tet. Zu­dem will die Bahn Kun­den „auf dem Ku­lanz­weg“ ent­schä­di­gen. Rei­sen­de soll­ten sich mit Taxi- und Ho­tel-Quit­tun­gen an die Kun­den­be­treu­ung (Ru­sche­stra­ße 104, 10365 Ber­lin) wen­den.

[Cramers Aussage trifft nicht zu, die Fahr­dienst­lei­ter wur­den ge­schult und der Pro­be­be­trieb dien­te auch hier zum üben. Es ist aber wie an­ders­wo auch, Rou­ti­ne hat man erst nach ei­ni­ger Zeit. S.B.]

Datum:
27.05.1998

Ressort:
Lokales

Autor:
Peter Neu­mann

Seite:
24

Cha­os auf der Stadt­bahn nimmt lang­sam ab

Zug-Verspätungen ge­hen zu­rück / Ge­werk­schaf­ter be­män­gelt Ma­na­ge­ment­feh­ler

Fahrgäste und Mit­ar­bei­ter der Deut­schen Bahn (DB) at­men auf. Das Un­ter­neh­men hat das Cha­os, das am Sonn­tag auf der Ei­sen­bahn durchs Stadt­zen­trum aus­ge­bro­chen war, of­fen­bar in den Griff be­kom­men. Zwar fuh­ren auch am Dien­stag zahl­rei­che Fern- und Re­gio­nal­ver­kehrs­zü­ge un­pünkt­lich über die Stadt­bahn zwi­schen Zoo und Ost­bahn­hof. Doch im Ver­gleich zu den bei­den vor­an­ge­gan­ge­nen Ta­gen hiel­ten sich die Ver­spä­tun­gen ge­stern in Gren­zen im Durch­schnitt be­tru­gen sie fünf bis 20 Mi­nu­ten. „Wir wer­den von Stun­de zu Stun­de bes­ser“, mel­de­te Mar­le­ne Schwarz, Ber­li­ner Spre­che­rin der Deut­schen Bahn (DB), am Mit­tag.

„Wir haben unsere Bü­ros ge­leert, um mit mög­lichst vie­len Mit­ar­bei­tern auf den Bahn­hö­fen prä­sent zu sein und die Fahr­gä­ste zu in­for­mie­ren“, sag­te Hans Lei­ster, DB-Re­gio­nal­be­reichs­lei­ter Ber­lin-Bran­den­burg. Für die Zug­aus­fäl­le und Ver­spä­tun­gen, die nach der Wie­der­in­be­trieb­nah­me der Stadt­bahn am Sonn­tag auf­ge­tre­ten wa­ren, gebe es kei­ne ein­zel­ne Ur­sa­che. „Vie­le klei­ne An­läs­se ha­ben sich zu ei­nem Su­per-GAU hoch­ge­schau­kelt“, be­stä­tig­te Tor­sten West­phal, Be­zirks­se­kre­tär der Ge­werk­schaft der Ei­sen­bah­ner Deutsch­lands (GdED). „Ei­ni­ge Kol­le­gen sa­gen, der zu enge Fahr­plan und man­geln­de Vor­be­rei­tung sind schuld. An­de­re ma­chen die neue Tech­nik ver­ant­wort­lich.“

„Das Problem lag in Rum­mels­burg“, sag­te ein Bahn-Be­schäf­tig­ter. Ein­zel­ne Ar­beits­ab­läu­fe im neuen Be­triebs­werk dau­er­ten län­ger als ge­plant, alte Stell­werks­tech­nik war mit ei­nem neuen elek­tro­ni­schen Stell­werk ge­kop­pelt wor­den. Des­sen Com­pu­ter hät­ten funk­tio­niert. Durch „Fehl­be­die­nun­gen“ sei es aber schon Sonn­tag mor­gen zu Be­triebs­stö­run­gen ge­kom­men. Fol­ge: „Wenn Züge nicht mehr ins Be­triebs­werk hi­nein­kom­men, gibt es so­fort Stau auf der Stadt­bahn.“ Spä­ter ka­men Wei­chen- und Sig­nal­stö­run­gen so­wie am Mon­tag abend so­gar noch ein Schie­nen­bruch hin­zu.

Eine längere Test-Pha­se hät­te dazu ge­führt, daß alle Mit­ar­bei­ter mehr Übung ge­habt hät­ten. „Doch das Zu­sam­men­spiel al­ler Fak­to­ren in der Pra­xis kann ein­fach nicht si­mu­liert wer­den An­lauf­schwie­rig­kei­ten sind un­ver­meid­lich“, hieß es.

Torsten Westphal rügt „Ma­na­ge­ment­feh­ler: „Bei der Be­wä­lti­gung der Kri­se ha­ben die Chefs ver­sagt. Da­für be­ka­men Zug­be­glei­ter und Ser­vice-Per­so­nal den Frust der Fahr­gä­ste zu spü­ren ob­wohl sie am Cha­os nicht schuld wa­ren.“

Datum:
27.05.1998

Ressort:
Lokales

Autor:
Peter Neu­mann

Seite:
24

Bahn-Chef: Schwie­rig­kei­ten „un­ter­schätzt“

Ludewig: Nächste Er­öff­nung wird bes­ser vor­be­rei­tet

Die Deutsche Bahn (DB) hat mög­li­che Schwie­rig­kei­ten bei der Wie­der­in­be­trieb­nah­me der Stadt­bahn „wahr­schein­lich un­ter­schätzt“. Das sag­te der DB-Vor­stands­vor­sit­zen­de Jo­han­nes Lu­de­wig ge­stern der „Ber­li­ner Zei­tung“.

Zwar hätten Bahn-Mit­ar­bei­ter noch am Mitt­woch mit ihm über „Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten“ bei den Pro­be­läu­fen ge­spro­chen. Die­se hät­ten sich aber im Rah­men des „vor sol­chen Um­stel­lun­gen und zu die­sem Zeit­punkt Üb­li­chen“ be­wegt. Im ein­zel­nen sei es um die Be­reit­stel­lung der Züge in Rum­mels­burg und die Kom­muni­ka­tion zwi­schen den Be­triebs­tei­len ge­gan­gen. Lu­de­wig: „Al­len war klar, daß die Wie­der­er­öff­nung der Stadt­bahn eine rie­si­ge Her­aus­for­de­rung für uns ist. Doch un­se­re Fach­leu­te wa­ren zu­ver­sicht­lich, daß wir durch Si­mu­la­tio­nen und ge­ziel­tes Trai­ning bis zum ent­schei­den­den Ter­min be­stens ge­rü­stet sein wür­den.“

Jede einzelne Schwie­rig­keit für sich ge­nom­men wäre gut zu be­wäl­ti­gen ge­we­sen. Aber das Haupt-Man­ko be­stand da­rin, daß „eine Fül­le von Fak­to­ren zu­sam­men­traf, die in ih­rer Ge­samt­heit schwie­rig zu be­herr­schen wa­ren“. Der DB-Chef nann­te die In­be­trieb­nah­me des Stell­werks in Rum­mels­burg und die dich­te Zug­fol­ge auf der Stadt­bahn.

Er entschuldigte sich noch ein­mal für die Stö­run­gen: „Was in Ber­lin ge­sche­hen ist, darf ein­fach nicht pas­sie­ren. Die­sem Vor­wurf müs­sen wir uns stel­len.“ Lu­de­wig räum­te ein, daß die In­for­ma­tion der Fahr­gä­ste un­zu­rei­chend ge­we­sen war. „Un­se­re Kun­den ver­ste­hen, daß es Pro­ble­me ge­ben kann. Doch sie er­war­ten zu Recht, daß sie von uns aus­rei­chend in­for­miert wer­den“, so der Vor­stands­vor­sit­zen­de. „Die In­for­ma­tion hat nicht ge­klappt, weil be­stimm­te tech­ni­sche Sy­ste­me von­ein­an­der ab­hän­gen. Sie sind aus­ge­fal­len, so daß die Kom­muni­ka­tion zwi­schen un­se­ren Leu­ten nicht mehr funk­tio­niert hat.“

Die DB werde „kon­se­quent dar­an ar­bei­ten“, daß sich sol­che Stö­run­gen nicht wie­der­ho­len. Die Er­öff­nung der Schnell­bahn Ber­lin Sten­dal, wo vom 27. Sep­tem­ber an Züge fah­ren, wer­de bes­ser vor­be­rei­tet. Lu­de­wig: „Wir wer­den üben, üben, üben.“ (pn.)

Datum:
28.05.1998

Ressort:
Lokales

Autor:
Peter Neu­mann

Seite:
23

Hym­ne zu früh, Züge zu spät: Stadt­bahn noch im­mer mit Pan­nen

Aus dem Chaos ge­lernt: Pla­ner wol­len Han­no­ver Schnell­bahn län­ger te­sten

Die Reisenden im Re­gio­nal­ex­preß 3219 nach Cott­bus er­leb­ten Mitt­woch eine Über­ra­schung nach der an­de­ren. Kurz be­vor ihr Zug in den Bahn­hof Alex­an­der­platz ein­fuhr, tön­te der An­fang der Bran­den­burg-Hym­ne aus den Laut­spre­chern. Mi­nu­ten spä­ter, als der Ost­bahn­hof in Sicht war, du­del­te es er­neut: „Stei­ge hoch, Du ro­ter Ad­ler.“

Eigentlich soll das Lob­lied auf das Nach­bar-Bun­des­land erst er­klin­gen, wenn der Zug die Gren­ze nach Bran­den­burg über­fährt. Doch eine Fehl­steue­rung be­wirk­te, daß die Hym­ne schon in Ber­lin er­klang.

Die Mini-Panne war kenn­zeich­nend für die ge­stri­ge Si­tua­tion auf der Stadt­bahn. Das Cha­os und der Zug-Stau der er­sten bei­den Tage sind vor­bei aber vie­le klei­ne­re Pro­ble­me sind ge­blie­ben. Stun­den­lan­ge Zug-Ver­spä­tun­gen, un­ter de­nen selbst Bahn-Chef Jo­han­nes Lu­de­wig ge­lit­ten hat­te, gab es nicht doch noch im­mer sind pünkt­li­che Züge rar. Ge­stern hat­te ein Blitz­schlag auf der Stre­cke nach Mag­de­burg dar­an Mit­schuld, so die Bahn. Doch nicht nur auf die­ser Li­nie roll­ten die Züge mit Ver­zö­ge­rung. Am Mit­tag fuhr der ICE vom Bahn­hof Zoo nach Bonn 30 Mi­nu­ten zu spät ab, die­sel­be Ver­spä­tung wur­de für den In­ter­ci­ty nach Ham­burg an­ge­kün­digt. Eben­falls eine hal­be Stun­de hin­ter dem Plan roll­te der In­ter­re­gio aus Dort­mund in die Hal­le. Re­gio­nal­ex­preß­zü­ge nach Wit­ten­ber­ge brach­ten es auf 25 Mi­nu­ten Ver­spä­tung. Der Zug zum Flug­ha­fen Schö­ne­feld star­te­te fast plan­mä­ßig, doch die laut­stark an­ge­kün­dig­ten Wa­gen mit der Auf­schrift „Air­port Ex­press“ fehl­ten. Auch ge­stern blie­ben die Zug­ziel-An­zei­gen an den mei­sten Wag­gons dun­kel.

Der Fahr­gast­ver­band Pro Bahn wirft der DB Feh­ler bei der Wie­der­er­öff­nung der Stadt­bahn vor. „Da war man­ches mit der hei­ßen Na­del ge­strickt“, sag­te Spre­cher Hol­ger Jan­sen. Die Bahn wäre bes­ser be­ra­ten ge­we­sen, vor­erst nur einen Teil der Züge über die Stre­cke durch das Stadt­zen­trum zu lei­ten. In­zwi­schen hät­ten sich rund 150 Fahr­gä­ste mit Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen ge­mel­det, be­rich­te­te die DB ge­stern.

Für den Pro­be­be­trieb auf der Stadt­bahn war nur sechs Tage Zeit ge­we­sen. Die In­be­trieb­nah­me der Schnell­bahn in Rich­tung Han­no­ver, die für den 27. Sep­tem­ber ge­plant ist, soll län­ger ge­te­stet wer­den. Micha­el Bau­feld, Spre­cher der Pla­nungs­ge­sell­schaft Bahn­bau Deut­sche Ein­heit: „Wir wol­len im Au­gust mit den Pro­be­fahr­ten be­gin­nen.“

Datum:
30.05.1998

Ressort:
Lokales

Autor:
Peter Neu­mann

Seite:
17

Zug­be­trieb auf der Stadt­bahn er­neut ge­stört

Strom und Sig­nal­tech­nik fie­len am Frei­tag aus

Nach den ersten bei­den „Cha­os-Ta­gen“ hat­te sich der Zug­be­trieb auf der Stadt­bahn zwi­schen Zoo und Ost­bahn­hof sta­bi­li­siert. Doch am Frei­tag er­litt die Deut­sche Bahn (DB) auf ih­rer Ber­li­ner Pro­blem­stre­cke einen schwe­ren Rück­fall. „Wir sind schlecht ge­star­tet“, räum­te Karl-Die­trich Reemtsema, beim DB-Fern­ver­kehr Lei­ter für Pro­duk­tion und Tech­nik, ein. Meh­re­re Fern- und Re­gio­nal­zü­ge fie­len aus dar­un­ter der Eu­ro­ci­ty nach Kra­kau. An­de­re Züge lie­ßen lan­ge auf sich war­ten. So roll­te der Nacht­zug Euro­Night aus Bu­da­pest Wien erst nach elf Uhr, zwei Stun­den ver­spä­tet, in den Bahn­hof Zoo ein. Bis zum frü­hen Nach­mit­tag fuh­ren fast alle Züge 30 bis 45 Mi­nu­ten zu spät.

Zum einen habe es auf Stre­cken nach Ber­lin meh­re­re Zwi­schen­fäl­le ge­ge­ben, sag­te Hans Lei­ster, Lei­ter des DB-Re­gio­nal­be­reichs Nah­ver­kehr Ber­lin-Bran­den­burg. Am Mor­gen sei ein Zug auf ei­nem Bahn­über­gang bei Ca­puth (Kreis Pots­dam-Mit­tel­mark) mit ei­nem Auto zu­sam­men­ge­stoßen. Auf ei­ner an­de­ren Bahn­li­nie sei ein Mensch von ei­nem Zug er­faßt wor­den. Ein bei Saal­feld ver­un­glück­ter Gü­ter­zug sorg­te für Ver­zö­ge­run­gen auf der In­ter­ci­ty-Li­nie Mün­chen Ham­burg.

Zum anderen hätten an­dau­ern­de „An­lauf­schwie­rig­kei­ten“ mit der neuen Tech­nik zu den er­neu­ten Stö­run­gen auf der Stadt­bahn bei­ge­tra­gen, hieß es wei­ter. Die Strom­ver­sor­gung sei für kur­ze Zeit aus­ge­fal­len, au­ßer­dem habe es zwei Sig­nal­stö­run­gen ge­ge­ben, so Reemtsema.

Am Sonntag war die Fern- und Re­gio­nal­ver­kehrs­stre­cke durch das Stadt­zen­trum wie­der in Be­trieb ge­nom­men wor­den, ob­wohl es tech­ni­sche Pro­ble­me gab. Das sag­te Ro­land Hei­nisch, DB-Vor­stands­mit­glied für For­schung und Tech­no­lo­gie. Neue An­la­gen wa­ren nur „un­zu­rei­chend ver­füg­bar“ ge­we­sen. Das Kun­den-In­for­ma­tions­sy­stem sei bis zum 24. Mai nicht recht­zei­tig fer­tig ge­wor­den, bis heu­te wur­de die An­la­ge nicht ab­ge­nom­men. Das elek­tro­ni­sche Stell­werk in Rum­mels­burg wur­de erst sechs Tage vor der Wie­der­er­öff­nung der Stadt­bahn fer­tig­ge­stellt. Bei der In­be­trieb­nah­me wä­ren „Pro­ble­me“ auf­ge­taucht, so Hei­nisch. Es habe kür­ze­re Aus­fäl­le und „Fehl­be­die­nun­gen“ ge­ge­ben.

Technische De­fek­te führ­ten au­ßer­dem dazu, daß der ohne­hin äu­ßerst kurz be­mes­se­ne Pro­be­be­trieb un­ter Ein­schrän­kun­gen litt. „Er war da­durch ge­han­di­capt, daß ei­ni­ge tech­ni­sche An­la­gen aus­fie­len“, so das DB-Vor­stands­mit­glied. „Es ist trau­rig, daß wir bei An­la­gen, die wir ge­lie­fert be­kom­men, Rein­fäl­le ha­ben.“ Hei­nisch kün­dig­te an, daß mit den Lie­fe­ran­ten künf­tig eine „deut­li­che­re Spra­che“ ge­spro­chen wird.

Dem Ser­vice-Per­so­nal dank­te der DB-Ma­na­ger da­ge­gen. Er sprach den Mit­ar­bei­tern, die auch am Frei­tag auf den Bahn­hö­fen auf­ge­brach­te Fahr­gä­ste be­ruhi­gen muß­ten, sei­ne An­er­ken­nung aus.

Rund 600 Fahrgäste ha­ben Aus­ga­ben, die ih­nen durch Ver­spä­tun­gen ent­stan­den, zu­rück­ge­for­dert. Meist han­del­te es sich um zwei­stel­li­ge Ta­xi­rech­nun­gen, so die DB.

Datum:
03.06.1998

Ressort:
Wissenschaft

Autor:
Rainer Klo­se

Seite:
W6

„Wir hat­ten uns zu­viel vor­ge­nom­men“

Pünktlich zur Er­öff­nung der Ber­li­ner Stadt­bahn wa­ren erst die Schie­nen rich­tig ver­legt die Elek­tro­nik streikt noch im­mer Mit Girlanden ge­schmückt war­te­te der Bahn­hof Alex­an­der­platz auf den 24. Mai. An dem son­ni­gen Sonn­tag soll­te eine neue Ära für den Re­gio­nal- und Fern­ver­kehr in Ber­lin be­gin­nen: die fei­er­li­che Er­öff­nung der Stadt­bahn-Stre­cke zwi­schen dem Bahn­hof Zoo und dem Ost­bahn­hof dem ehe­ma­li­gen Haupt­bahn­hof. Doch die In­be­trieb­nah­me der neun Ki­lo­me­ter lan­gen Ost-West-Ver­bin­dung en­de­te in ei­nem ta­ge­lan­gen Cha­os. Man­che Züge hat­ten Ver­spä­tun­gen von ei­ner Stun­de, an­de­re fie­len ganz aus. Schließ­lich schi­ckte die Zen­tra­le der Deut­schen Bahn AG in Frank­furt meh­re­re Ex­per­ten nach Ber­lin, um den Stau auf­zu­lö­sen, un­ter ih­nen Ro­land Hei­nisch, Mit­glied im Vor­stand und zu­stän­dig für For­schung und Tech­no­lo­gie. Die Ma­na­ger ka­men per Flug­zeug.

In nur vier Jahren hat­te die Bahn rund zwei Mil­liar­den Mark in die Re­no­vie­rung der 1882 erst­mals er­öff­ne­ten Stre­cke in­ve­stiert. Mehr als 50 Brü­cken wur­den neu er­baut oder in­stand ge­setzt; eine 25 Zen­ti­me­ter dicke Stahl­be­ton­plat­te zwi­schen Bahn­hof Zoo und Ost­bahn­hof trägt nun die schwe­ren ICE-Zug­kö­pfe.

360 Züge pro Tag

In einer Bauzeit von nur ei­nem Jahr ent­stand au­ßer­dem eine neue War­tungs­sta­tion für den ICE. 360 Re­gio­nal- und Fern­zü­ge fah­ren nun täg­lich über die Stadt­bahn durch Ber­lin und hal­ten am Bahn­hof Zoo und am Ost­bahn­hof. Nur noch die In­ter­ci­ty-Li­nie Ham­burg Leip­zig Mün­chen wen­det am Zoo, zwei In­ter­re­gio-Li­nien kom­men aus öst­li­cher Rich­tung und soll­ten am Ost­bahn­hof wen­den. Das ge­sam­te Zug­auf­kom­men wird künf­tig von elek­tro­ni­schen Stell­wer­ken ge­steu­ert, allein das am ICE-Be­triebs­werk Rum­mels­burg er­setzt neun alte Stell­wer­ke.

Und dort, in Rum­mels­burg, zwi­schen dem Ost­bahn­hof und der S-Bahn-Sta­tion Karls­horst im Süd­osten Ber­lins ge­le­gen, be­gann am Er­öff­nungs­sonn­tag auch das Cha­os. Ein Sy­stem von 18 Ki­lo­me­ter Gleis­an­la­gen und 78 Wei­chen lei­tet an die­ser Stel­le die ICE-Züge, die alle im Ost­bahn­hof en­den, wei­ter in eine zwei­glei­si­ge War­tungs­hal­le. In­ner­halb ei­ner Stun­de wer­den die Wa­gen dort ge­rei­nigt, Re­ser­vie­rungs-Schild­chen an­ge­bracht, Toi­let­ten ge­leert und die Was­ser­tanks nach­ge­füllt. Dann rollt der Zug noch durch eine Wasch­an­la­ge und, bei Be­darf, durch eine Dia­gno­se­ein­rich­tung, die das Fahr­werk über­prüft. Das neue Stell­werk soll­te die ICEs rasch von der über­la­ste­ten Stre­cke neh­men und zü­gig über das War­tungs­ge­län­de schi­cken, doch die vor­ge­ge­be­nen Zei­ten wa­ren nach tech­ni­schen Pan­nen und ei­ni­gen Be­die­nungs­feh­lern schon am Er­öff­nungs­tag nicht mehr zu hal­ten. „Wer dort letzt­lich den fal­schen Knopf ge­drückt hat, das ist für Au­ßen­ste­hen­de nicht mehr nach­voll­zieh­bar“, sagt Jür­gen Sieg­mann vom In­sti­tut für Stra­ßen- und Schie­nen­ver­kehr an der TU Ber­lin.

Die Züge stauten sich vor der Ein­fahrt zum Be­triebs­werk und fuh­ren zu spät zu­rück zum Ost­bahn­hof. Dort wur­de al­les noch schlim­mer: Die An­zei­gen über den Bahn­stei­gen wie­sen auf die Ver­spä­tun­gen nicht hin und zeig­ten Züge nicht an, die auf ein an­de­res Gleis ver­legt wor­den wa­ren. Nor­ma­ler­wei­se er­hält die­ses „Fahr­gast­in­for­ma­tions­sy­stem“ sei­ne Da­ten aus der in­ter­nen Kom­muni­ka­tion zwi­schen Stell­werk und Zug doch die­se Schal­tung funk­tio­nier­te noch nicht. Auch die Bahn­hofs­spre­cher er­hal­ten so ihre In­for­ma­tio­nen und wuß­ten durch die Pan­ne nichts über die Rei­hen­fol­ge der ein­fah­ren­den Züge. Das führ­te zu noch grö­ße­ren Ver­spä­tun­gen: „Wenn die Auf­sicht den Lok­füh­rer erst am Bahn­steig fra­gen kann, wo er hin will, muß der Zug na­tür­lich län­ger ste­hen als bei ei­nem plan­mä­ßi­gen Halt“, er­klärt Bahn-Spe­zia­list Sieg­mann. „Die Pas­sa­gie­re brau­chen nach der An­sa­ge Zeit, um zum Ab­fahrts­gleis zu kom­men und da steht ein Zug dann leicht zehn, statt wie ge­plant, zwei Mi­nu­ten.“

Hans Leister, Lei­ter des Be­reichs Nah­ver­kehr bei der Bahn für Ber­lin und Bran­den­burg, be­stä­tig­te das. Er gab auf ei­ner Pres­se­kon­fe­renz am ver­gan­ge­nen Frei­tag zu: „Die An­la­ge ist ei­gent­lich noch nicht be­triebs­be­reit.“ Nach der Fer­tig­stel­lung, erst we­nige Tage vor der Stre­cken­er­öff­nung, sei für eine tech­ni­sche Ab­nah­me der In­for­ma­tions­an­la­ge kei­ne Zeit mehr ge­we­sen.

Das Durch­ein­an­der, das am Be­triebs­werk Rum­mels­burg mit den ICE-Zü­gen be­gann und sich am Ost­bahn­hof fort­setz­te, leg­te bald die gan­ze Stadt­bahn lahm. Zwi­schen den ver­spä­te­ten ICEs stan­den auch vie­le Re­gio­nal­zü­ge auf der zwei­glei­si­gen Stre­cke im Stau. Und die aus­hän­gen­den Fahr­plä­ne ge­rie­ten all­mäh­lich zur De­ko­ra­tion.

„Wir hatten uns zu­viel vor­ge­nom­men“, ge­stand Ro­land Hei­nisch, Tech­no­lo­gie­vor­stand bei der Bahn AG, am Frei­tag ein. Als So­fort­hil­fe be­schloß die Ex­per­ten­kom­mis­sion, ins­ge­samt 29 Züge pro Tag, die am Ost­bahn­hof wen­den soll­ten, in den Bahn­hof Lich­ten­berg um­zu­lei­ten. Um zum Ost­bahn­hof zu ge­lan­gen, müs­sen die Pas­sa­gie­re seit­her in die S-Bahn um­stei­gen. Doch auch die­se Not­lö­sung brach­te kei­nen durch­schla­gen­den Er­folg. „Wir konn­ten das Sy­stem da­durch zwar ent­la­sten, aber nicht sta­bi­li­sie­ren“, so Hei­nisch. Die Züge fuh­ren zwei Tage lang recht pünkt­lich, doch am Frei­tag und Sonn­abend gab es wie­der Pan­nen. Durch einen lie­gen­ge­blie­be­nen Zug, eine Sig­nal­stö­rung und meh­re­re Strom­aus­fäl­le ent­stan­den er­neut gro­ße Ver­spä­tun­gen.

Fehler bei der Pla­nung

Nun steckt die Bahn in ei­nem Di­lem­ma: Die Fahr­plä­ne ste­hen fest und müs­sen er­füllt wer­den, sonst wür­de in an­de­ren Städ­ten al­les durch­ein­an­der­ge­ra­ten. Erst beim näch­sten Fahr­plan­wech­sel, im Som­mer 1999, kön­nen Züge ganz ge­stri­chen wer­den. Schon lan­ge vor der Er­öff­nung blieb den Ei­sen­bah­nern gar nichts an­de­res übrig, als das schein­bar Un­mög­li­che zu wa­gen, denn die Fahr­plä­ne wer­den meist zwei bis drei Jah­re vor ih­rem In­kraft­tre­ten mit Hil­fe von Com­pu­ter­ta­bel­len er­stellt und zwi­schen den Städ­ten ab­ge­stimmt. Nach ei­nem fest­ge­leg­ten End­ter­min darf nichts mehr ver­än­dert wer­den; dann pla­nen Ar­beits­grup­pen die Be­le­gung der Bahn­stei­ge und den Ein­satz von Wa­gen und Lo­ko­mo­ti­ven. Die Feh­ler, de­ren Aus­wir­kun­gen jetzt zu spü­ren sind, pas­sier­ten also schon bei der er­sten Pla­nung, weil An­lauf­schwie­rig­kei­ten nicht ein­kal­ku­liert wur­den. „Am wich­tig­sten ist jetzt, die Ruhe zu be­wah­ren“, sagt Hei­nisch. „Dann muß man die Eng­stel­le be­sei­ti­gen das ist für uns Rum­mels­burg. Wir müs­sen ver­su­chen, dort die Ab­läu­fe zu be­schleu­ni­gen.“

Bis alles erledigt ist, müs­sen sich Bahn­rei­sen­de wohl noch auf ei­ni­ge Ver­spä­tun­gen ein­stel­len. Doch die Ex­per­ten spen­den Trost: Für den rei­bungs­lo­sen Be­trieb ei­nes Stell­werks brau­che die Be­sat­zung mehr Rou­ti­ne, sagt TU-Pro­fes­sor Jür­gen Sieg­mann. „Nach zwei Jah­ren ma­chen die das al­les im Schlaf.“ Und Nah­ver­kehrs­chef Hans Lei­ster er­in­nert sich an die In­be­trieb­nah­me der S-Bahn in Mün­chen, 1972: „Mo­na­te­lang hat da gar nichts funk­tio­niert. Heu­te fah­ren dort dop­pelt so vie­le Züge wie da­mals und zwar voll­kom­men rei­bungs­los.“

Vorstandsmitglied Ro­land Hei­nisch will beim näch­sten Mal klü­ger sein und kün­dig­te be­reits Kon­se­quen­zen an. Zwi­schen der Ab­nah­me ei­ner tech­ni­schen In­stal­la­tion und dem Be­ginn des Be­triebs müs­se mehr Zeit blei­ben. Auch Fehl­be­die­nun­gen habe es ge­ge­ben, räum­te er ein, des­halb müß­ten die Mit­ar­bei­ter sorg­fäl­ti­ger ge­schult wer­den.

In fünf Jahren ha­ben die Bahn-Ma­na­ger eine neue Chan­ce zu be­wei­sen, daß man ein Groß­pro­jekt ohne Pan­nen star­ten kann: Im Jahr 2003 soll die ge­plan­te Nord-Süd-Stre­cke in Be­trieb ge­hen; an der Stel­le des heu­ti­gen Lehr­ter Bahn­hofs ent­steht ei­ner der größ­ten Kreu­zungs­bahn­hö­fe Eu­ro­pas. Viel­leicht wird bei die­ser Ein­wei­hung auch ein Bun­des­kanz­ler den Ei­sen­bahn-Pla­nern auf die Fin­ger se­hen.

Datum:
12.06.1998

Ressort:
Politik

Autor:
Peter Neu­mann

Seite:
01

Ber­li­ner Stadt­bahn-Cha­os hat­te be­triebs­in­ter­ne Grün­de

Untersuchung: Mit­ar­bei­ter über­for­dert / Tech­nik in Ord­nung

BERLIN, 11. Juni. Die Deut­sche Bahn AG (DB) hat ein­ge­räumt, daß das mehr­tä­gi­ge Cha­os nach der Wie­der­er­öff­nung der Ber­li­ner Stadt­bahn vor al­lem auf inner­or­ga­ni­sa­to­ri­schen Schwä­chen zu­rück­zu­füh­ren sei. Dies geht aus dem Be­richt ei­ner bahn­in­ter­nen Ex­per­ten­kom­mis­sion her­vor, er­fuhr die „Ber­li­ner Zei­tung“ aus DB-Vor­stands­krei­sen. „Im Kern lag der Feh­ler bei uns“, heißt es im Bahn-Vor­stand.

Die Bahn-Be­schäf­tig­ten hät­ten nur sechs Tage Zeit ge­habt, die Be­triebs­ab­läu­fe auf der für zwei Mil­liar­den Mark sa­nier­ten Stre­cke zwi­schen Zoo und Ost­bahn­hof zu üben. Sie hät­ten die in­stal­lier­te Tech­nik zum Teil „nicht be­herrscht“. An­son­sten hät­ten die An­la­gen funk­tio­niert mit Aus­nah­me des Kun­den­in­for­ma­tions­sy­stems.

Offensichtlich habe es zu vie­le Neue­run­gen auf ein­mal ge­ge­ben, heißt es in der Un­ter­su­chung. So gin­gen zum Fahr­plan­wech­sel am 24. Mai nicht nur Bahn­hö­fe und Glei­se, son­dern auch Be­triebs­an­la­gen so­wie ein elek­tro­ni­sches Stell­werk in Be­trieb. Schließ­lich sei der Lie­fe­rant des Kun­den­in­for­ma­tions­sy­stems nicht aus­rei­chend kon­trol­liert und in die Pflicht ge­nom­men wor­den. Die An­zei­ge­ta­feln im Ost­bahn­hof und im Re­gio­nal­bahn­hof Alex­an­der­platz funk­tio­nier­ten an­fangs nicht. Für die­sen Fall hät­te die Bahn eine Über­gangs­lö­sung ver­lan­gen müs­sen, sag­te ein DB-Ma­na­ger.

Das Zugunglück von Esche­de hat 100 Tote ge­for­dert. Die Po­li­zei kor­ri­gier­te am Don­ners­tag die jüng­ste Zahl der To­des­op­fer von zu­letzt 99. Nicht weit vom Ort des Un­falls, bei dem der ICE 884 am 3. Juni ent­gleist war, gab es er­neut Pro­ble­me mit ei­nem ICE. Der Zug muß­te in Cel­le we­gen ver­dä­chti­ger Ge­räu­sche an­hal­ten. Ein Scha­den wur­de je­doch nicht ge­fun­den, so die DB. Das Bun­des­in­nen­mi­ni­ste­rium be­stä­tig­te einen Be­richt, wo­nach wäh­rend des er­sten Halb­jah­res 1998 in Deutsch­land 40 An­schlä­ge auf den Bahn­ver­kehr ver­übt wor­den sind.

(Seiten 8, 20)

[Es sind zwei elek­tro­ni­sche Stell­wer­ke neu in Be­trieb ge­gan­gen, Rum­mels­burg und Ost­bahn­hof. S.B.]

Datum:
12.06.1998

Ressort:
Lokales

Autor:
-

Seite:
20

BILANZ – Viele Ver­spä­tun­gen

Die Stadtbahn wur­de am 24. Mai zwi­schen Zoo und Ost­bahn­hof nach fast vier­jäh­ri­ger Sa­nie­rung für den Fern- und Re­gio­nal­ver­kehr wie­der­er­öff­net. Zu­nächst roll­ten fast 360 Züge täg­lich über die 8,8 Ki­lo­me­ter lan­ge zwei­glei­si­ge Stre­cke. Doch von An­fang an gab es Ver­spä­tun­gen bis heu­te.

Die Interregios Stral­sund Ber­lin Frank­furt (Main) so­wie Chem­nitz Ber­lin Ro­stock wer­den vor­aus­sicht­lich bis 21. Juni über Lich­ten­berg ge­lei­tet, um die Stadt­bahn zu ent­la­sten.

Das Chaos hat sich ab­ge­schwächt. Am 1. und 3. Juni fuh­ren mehr als 90 Pro­zent der Re­gio­nal­zü­ge pünkt­lich. Doch trotz al­ler Be­mü­hun­gen sind Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten noch im­mer häu­fig. Am 8. Juni ka­men über die Hälf­te der Re­gio­nal­zü­ge mehr als fünf Mi­nu­ten zu spät, am 10. Juni wa­ren es 14 Pro­zent.

Datum:
12.06.1998

Ressort:
Lokales

Autor:
Peter Neu­mann

Seite:
20

Bahn-Vor­stand wer­tet Cha­os aus: „Im Kern lag der Feh­ler bei uns“

Experten-Bericht nennt man­geln­de Übung als Ur­sa­che für Stö­run­gen Das Chaos, das sich nach der Wie­der­er­öff­nung der Fern- und Re­gio­nal­bahn­li­nie durch das Stadt­zen­trum er­eig­ne­te, ist auf­ge­klärt. Man­geln­de Übung, zu vie­le Pla­nungs­zie­le so­wie die un­zu­rei­chen­de Kon­trol­le von Lie­fe­ran­ten ver­ur­sach­ten das Durch­ein­an­der auf der Stadt­bahn, das am 24. Mai be­gann und bis heu­te nicht völ­lig be­en­det ist. Das geht aus dem Be­richt ei­ner bahn­in­ter­nen Ex­per­ten­kom­mis­sion her­vor, von dem die „Ber­li­ner Zei­tung“ aus Vor­stands­krei­sen der Deut­schen Bahn (DB) er­fuhr.

„Im Kern lag der Feh­ler bei uns“, faß­te ein DB-Ma­na­ger zu­sam­men. Mit Aus­nah­me des Kun­den­in­for­ma­tions­sy­stems habe die neue Tech­nik von An­fang an funk­tio­niert.

Das Info-System ver­sag­te

„Die Technik war da. Doch es ist ein­fach nicht ge­nug ge­übt wor­den. Da­durch ist sehr schnell ein De­sa­ster ent­stan­den“, hieß es. Wie be­rich­tet, war die Sa­nie­rung der Ber­li­ner Stadt­bahn zwi­schen Zoo und Ost­bahn­hof erst sechs Tage vor der Wie­der­er­öff­nung ab­ge­schlos­sen ge­wor­den zu spät, um alle Mit­ar­bei­ter mit den neuen Be­triebs­ab­läu­fen aus­rei­chend ver­traut zu ma­chen.

Vor allem die neue Zug­bil­dungs­an­la­ge in Rum­mels­burg, wo lok­be­spann­te Züge zu­sam­men­ge­stellt wer­den, habe sich als Schwach­punkt er­wie­sen: „Von dort ka­men die Züge nicht pünkt­lich auf die Stadt­bahn.“ Die Mit­ar­bei­ter hät­ten die Tech­nik an­fangs „nicht be­herrscht“.

Als zweites Han­di­cap stell­te sich her­aus, daß die DB-Pla­ner eine „alte Ei­sen­bah­ner-Weis­heit“ of­fen­bar miß­ach­tet hat­ten: „Man soll nie zu vie­le Din­ge zu­gleich in An­griff neh­men.“ Nor­ma­ler­wei­se birgt be­reits ein Fahr­plan­wech­sel die Ge­fahr, daß der Bahn­be­trieb für kur­ze Zeit durch­ein­an­der­ge­rät. In Ber­lin ka­men gleich meh­re­re Stör­quel­len hin­zu. In Rum­mels­burg nah­men nicht nur neue Be­triebs­an­la­gen die Ar­beit auf, son­dern auch ein elek­tro­ni­sches Stell­werk, das auf einen Schlag acht her­kömm­li­che Stell­wer­ke er­setz­te. Zu­dem wur­de die frisch sa­nier­te Stadt­bahn von An­fang an stark be­la­stet: Fast 360 Züge muß­ten plötz­lich über die zwei­glei­si­ge Stre­cke ge­lei­tet wer­den.

Am 24. Mai sollte in Ber­lin auch ein com­pu­ter­ge­steu­er­tes Kun­den­in­for­ma­tions­sy­stem Pre­mie­re fei­ern. Doch die na­gel­neu­en An­zei­ge­ta­feln im Ost­bahn­hof und am Alex­an­der­platz funk­tio­nier­ten nicht, was die Orien­tie­rungs­lo­sig­keit un­ter den Fahr­gä­sten noch ver­grö­ßer­te. Ein DB-Mit­ar­bei­ter räumt ein: „Wir hät­ten dem Lie­fe­ran­ten ein kla­res Da­tum set­zen müs­sen“ mit der Vor­ga­be, als Über­gangs­lö­sung eine „Rück­fall­ebe­ne“ zu schaf­fen, falls das Info-Sy­stem nicht pünkt­lich fer­tig wird. „Statt des­sen ver­lie­ßen wir uns auf den Her­stel­ler, der uns noch acht Tage vor der Wie­der­er­öff­nung der Stadt­bahn sag­te, er kriegt al­les recht­zei­tig in die Rei­he.“

Die DB ist zu­ver­sicht­lich, daß es bei der Er­öff­nung der Hoch­ge­schwin­dig­keits­stre­cke Ber­lin Han­no­ver am 27. Sep­tem­ber kein Cha­os ge­ben wird. Es sei­en „kla­re Ver­ant­wort­lich­kei­ten“ ge­schaf­fen wor­den, hieß es dazu im Bahn-Vor­stand. Die Er­öff­nung der neuen Schnell­bahn wer­de in­ten­siv und lan­ge ge­übt.

Premiere am 13. Sep­tem­ber

Dem Vernehmen nach will Bun­des­kanz­ler Hel­mut Kohl (CDU) die für Tem­po 250 aus­ge­leg­te Neu­bau­stre­cke am 13. Sep­tem­ber ein­wei­hen. Noch un­klar ist je­doch, wo­hin er mit dem Er­öff­nungs­zug fah­ren wird. Der er­ste grö­ße­re Halt ent­lang der 264 Ki­lo­me­ter lan­gen Bahn­li­nie, Sten­dal, liegt in Sach­sen-An­halt dort wür­de Kohl von Mi­ni­ster­prä­si­dent Rein­hard Höpp­ner (SPD) er­war­tet, der sei­ne Lan­des­re­gie­rung zum Miß­fal­len des Kanz­lers von der PDS to­le­rie­ren läßt. In Han­no­ver stün­de Kohls Wi­der­sa­cher bei der Bun­des­tags­wahl, SPD-Spit­zen­kan­di­dat und Mi­ni­ster­prä­si­dent Ger­hard Schrö­der (SPD), am Bahn­hof.


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Letzte Änderung am 14.8.2022
© Steffen Buhr