Hier ist eine Auswahl in der Berliner Zeitung erschienener Artikel zur Wiedereröffnung des Fernbahnverkehrs auf der Berliner Stadtbahn am 24. Mai 1998, einem Sonntag. Da das Archiv der Berliner Zeitung online nicht mehr erreichbar ist und die Artikel auch mit der Suchfunktion dort nicht gefunden werden, habe ich die vor einigen Jahren gesicherten Artikel hier zusammengestellt.
Endspurt auf der frisch sanierten Stadtbahn im Zentrum Berlins: Auf dem Hauptbahnhof legt ein Intercity Express bei einer Probefahrt einen kurzen Halt ein, auf dem Bahnsteig gibt ein Arbeiter dem neuen Pflaster den letzten Schliff. Von diesem Sonntag an rollen wieder Fern- und Regionalzüge über den Viadukt, den der Bund und die Deutsche Bahn für zwei Milliarden Mark erneuerten. Ebenfalls am Sonntag erhält der Hauptbahnhof seinen alten Namen zurück: Um 9 Uhr wird die Station feierlich in Ostbahnhof rückbenannt. (pn.)
Ursache für Zusammenbruch des Fern- und Regionalverkehrs unklar
Nach fast vier Jahren Bauarbeiten rollen seit Sonntag wieder Fern- und Regionalzüge über die Stadtbahn. Doch der Betrieb auf der für zwei Milliarden Mark sanierten Strecke zwischen Zoo und Ostbahnhof begann mit einem Chaos. Während sich die Züge vor roten Signallichtern stauten und Experten von der Deutschen Bahn (DB) über die Ursachen rätselten, wuchs auf den Bahnhöfen die Wut der Fahrgäste.
Züge nach München Zagreb, Hamburg, Prag Budapest und Wien fielen aus. „Ich habe mich zum ersten und letzten Mal für die Bahn entschieden. Kein Wunder, daß hier Lynch-Atmosphäre herrscht“, sagte Nico Klawa, der auf dem Ostbahnhof mit Hunderten anderen Passagieren vergeblich auf seinen Zug wartete. Fast alle anderen Fahrten starteten bis zum späten Abend mit oft mehrstündigen Verspätungen, ein Eurocity nach Warschau brachte es auf fast vier Stunden. In vielen Städten warteten Tausende Fahrgäste vergebens auf die Züge. „Schon auf meiner Fahrt nach Berlin gab es Chaos. Das nächste Mal fliege ich“, sagte Christian Stoldt aus Essen. Auf dem überfüllten Bahnhof Zoo stellten Wachschutzleute Rolltreppen ab, damit nicht noch mehr Menschen auf die Bahnsteige strömten. Für die Fahrgäste gab es kaum Informationen. Am Zoo hieß es lediglich: „Mitteilungen über Verspätungen können derzeit nicht gemacht werden.“ Anzeigen auf den Bahnsteigen funktionierten nicht. Im Ostbahnhof war die elektronische Tafel für die Abfahrtszeiten am Morgen abgeschaltet worden. Reisende rätselten, wohin die wenigen verkehrenden Regionalexpreßzüge fuhren: An den fabrikneuen Doppelstockwagen (Stückpreis: drei Millionen Mark) blieben die Ziel-Anzeigen dunkel.
DB-Mitarbeiter zeigten sich ratlos. Die Wiederaufnahme des Betriebs war sechs Tage lang geprobt worden. Über Lautsprecher hieß es, eine Signalstörung sei schuld am Chaos, andere Bahner sprachen von Fehlern in den neuen Stellwerken beides wies Berlins Fernverkehrs-Chef Joachim Kießling zurück. Zugbegleiterinnen sagten, Züge seien an ihren Startpunkten viel zu spät eingesetzt worden, Kollegen nicht zum Dienst erschienen. DB-Sprecherin Marlene Schwarz meldete „Störungen im Betriebsablauf“, die sich auf der mit täglich 356 Fern- und Regionalzügen belasteten Stadtbahn „wie beim Domino“ fortgepflanzt hätten.
BERLIN, 25. Mai. Die Pannenserie im Berliner Eisenbahnverkehr hat sich am Montag fortgesetzt. Wie schon am Sonntag fuhren fast alle Züge mit mindestens halbstündigen Verspätungen ab, in mehreren Fällen warteten Fernreisende und Pendler mehrere Stunden oder ganz vergeblich auf ihre Bahn. Das Chaos in Berlin wirkte sich auf den deutschen und internationalen Zugverkehr aus. So starteten am Mittag der ICE nach Bonn sowie der Interregio nach Amsterdam mit jeweils über zwei Stunden Verspätung. Angaben, wann sich der Betrieb von und nach Berlin normalisiert, konnte die Deutsche Bahn (DB) auch am Montag nicht machen.
Mitarbeiter der DB gehen davon aus, daß die teilweise chaotischen Zustände vor allem organisatorische Gründe haben. So sei der am Sonntag in Kraft getretene Fahrplan „zu eng“, so daß Verspätungen nicht ausgeglichen werden könnten. Das neue elektronische Stellwerk in Berlin-Rummelsburg sei nicht leicht zu handhaben. Aufgrund der Trennung des Bahn-Unternehmens in verschiedene Geschäftsbereiche „weiß ein Mitarbeiter oft nicht, was der andere macht“, so ein DB-Beschäftigter.
„Unglückliche Umstände“
Auch am Montag klagten Fahrgäste über mangelnde Informationen. Bahn-Mitarbeiter konnten nicht sagen, wann die Züge fahren. Elektronische Zugziel-Anzeigen auf Bahnsteigen und an Regionalexpreßwagen funktionierten nicht.
„Es kamen ein paar unglückliche Umstände zusammen“, räumte Firmen-Sprecher Christian Hoppe ein. Die Wiederinbetriebnahme der für zwei Milliarden Mark sanierten Stadtbahn sowie des neuen Betriebswerks Rummelsburg hätten zu den Beeinträchtigungen geführt, teilte die DB mit. Der Bahn-Vorstand hat bereits am Sonntag eine Expertengruppe eingesetzt, um die Ursachen zu analysieren. Ein Großteil der Interregio-Züge wurde von der stark belasteten Stadtbahn genommen und über Berlin-Lichtenberg umgeleitet. Die Zahl der Service-Mitarbeiter wurde erhöht, die Fahrdienstleitungen in den Bahnhöfen verstärkt. „Die Deutsche Bahn entschuldigt sich bei allen Fahrgästen“, hieß es. Wer ein Taxi nehmen oder im Hotel übernachten mußte, bekomme diese Kosten erstattet.
(Kommentar Seite 4 , Seite 17)
Wäre bei dem umweltfreundlichen Verkehrsmittel Eisenbahn ein GAU möglich, hätte er jetzt in Berlin stattgefunden. Mehrere zehntausend Menschen, mit Hilfe einer teuren Werbekampagne zu der für zwei Milliarden Mark sanierten Stadtbahn gelockt, erlebten ein trauriges Desaster.
In nur wenigen Stunden hat das selbsternannte „Unternehmen Zukunft“ den über Jahre aufgebauten Kredit durch schlechte Organisation, Überforderung und Schlamperei verspielt. Daß die Züge wie auf einer Autobahn im Stau standen und sich um mehrere Stunden verspäteten, war nicht einmal das Schlimmste. Viel bedenklicher ist, daß der Zusammenbruch abzusehen war. Das lag zum einen an dem aus Prestigegründen mit zu vielen Zügen überladenen Fahrplan, der kaum Zeitpuffer für den Ausgleich von Verspätungen aufwies. Zum anderen war der größte Fahrplanwechsel in der Geschichte Berlins schlecht vorbereitet sechs Tage Probebetrieb auf der Stadtbahn waren zu wenig, die Mitarbeiter wurden nicht ausreichend geschult. Ebenso gravierend sind die strukturellen Gründe: Bei der in viele Geschäftsbereiche zergliederten Bahn hat niemand mehr den Überblick weshalb ratlose Fahrgäste auch keine zufriedenstellenden Antworten auf ihre Fragen bekamen. Die Bahn hat unzählige gutwillige Kunden enttäuscht. Sie wird lange brauchen, um diese Katastrophe vergessen zu machen.
Bahnhof Zoo: Reisende warteten bis zu zwei Stunden
Auf dem Bahnhof Zoologischer Garten steht Oliver Köhler. „Ich bin jetzt seit anderthalb Jahren beim Bund“, sagt der 21jährige, „aber das ist mir noch nie passiert, daß ich wegen der Bahn montags nicht zum Dienst erscheinen konnte“, sagt er. „Wenn ich Pech habe, wird mir dafür ein Tag Urlaub gestrichen.“ Die Standardantwort der Deutschen Bahn (DB) auf solche Vorwürfe war gestern am Bahnhof Zoo immer wieder über die Lautsprecher zu hören: „Wir bitten um Ihr Verständnis.“ Verständnis für Zugverspätungen von einer halben bis zu zwei Stunden. Verständnis für Schienenersatzverkehr nach Brandenburg mit Bussen und ständig wechselnde Gleise. Die Stimmung in der Halle ist trotz des Abfahrtschaos eher heiter. Viele Reisende quittieren Durchsagen wie „Die Weiterfahrt verzögert sich auf unbestimmte Zeit“ mit Gelächter. Haben die Menschen das Verständnis, um das die Bahn sie bittet? Der Mann vom Serviceschalter in der dunkelblauen DB-Weste nickt. „Es geht schon, es ist gut“, sagt er und wendet sich wieder den Kunden zu. Doch die Anstrengung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Denn nicht alle nehmen es leicht.
Ein junger Mann fühlt sich besonders provoziert. „Wollen Sie das nicht mal abwischen?“ fragt er aufgebracht und zeigt auf eine große blaue Tafel neben dem Aufgang zur Fern- und Regionalbahn. „Unsere Pünktlichkeit“ steht darauf. Die Zahl der fahrplanmäßig abgefertigten Züge läßt sich dort ablesen. Die Werte sind beeindruckend: Für den Fernverkehr gab es am Zoologischen Garten 92 Prozent pünktliche Züge, im Nahverkehr waren es gar 100 Prozent. Allerdings stammen die Zahlen vom vorigen Freitag, dem 22. Mai 1998. „Das macht die Leute doch nur wütender, wenn sie das lesen. Mein Zug hat auch Verspätung, und da vorne steht 100 Prozent!“
Etliche Züge fielen aus
Der Zug-Stau auf der für rund zwei Milliarden Mark sanierten Stadtbahn zwischen Zoo und Ostbahnhof dauerte auch am Montag an.
Fast alle Zug-Verbindungen über die Stadtbahn waren erneut gestört.
Zug-Ausfälle traten gestern nicht so häufig auf wie am Sonntag. Diesmal waren vor allem Regionalexpreßzüge betroffen. Beispiele: Auf der Strecke von Zossen in Richtung Berlin entfielen vormittags zwei Züge, auf der Verbindung Berlin Fürstenwalde dünnten Ausfälle während des Berufsverkehrs das Zugangebot aus.
Zug-Verspätungen von 30 bis 60 Minuten waren gestern die Regel, am Nachmittag meldete die DB als Durchschnittswert 25 Minuten. Der Interregio 2342 nach Amsterdam fuhr fast drei Stunden, der ICE 846 nach Bonn zwei Stunden später ab.
Zug-Informationen waren rar. Zwar funktionierte die neue Anzeigetafel im Ostbahnhof wieder, Verspätungen und Ausfälle wurden darauf jedoch nicht gemeldet. Auf den Zugziel-Anzeigen am Alexanderplatz hieß es nur: „Ansage beachten“. Auch an vielen neuen Doppelstockwagen fehlten Angaben über die Fahrtziele. Angeblich gab es Probleme bei der Programmierung der Anzeigetafeln.
Zug-Probleme hatten Reisende offenbar hungrig gemacht. In den Imbiß- und Getränke-Automaten einiger Regionalexpreßzüge waren Sandwiches (Stück: 4,50 Mark) ausverkauft.
Expertengruppe sucht Ursache / Interregios werden umgeleitet
Chaos beherrschte auch gestern den Eisenbahnverkehr von und nach Berlin. Wie schon am Sonntag fuhren fast alle Züge mit Verspätungen, Fahrgäste klagten über mangelnde Information, Mitarbeiter der Deutschen Bahn (DB) zeigten sich ratlos. Ganz so schlimm wie Sonntag war es nicht: Die Bahn wies darauf hin, sie habe die „Unregelmäßigkeiten des Vortages deutlich gesenkt“. Einige Regionalexpreßzüge trafen tatsächlich auf die Minute pünktlich in Berlin ein. Doch waren die raren fahrplanmäßigen Fahrten nicht vorherzusehen. Auch heute wird es laut DB in Berlin wieder zu Verspätungen kommen.
Eine vom DB-Vorstand eingesetzte Expertengruppe soll nun nach den Ursachen der Störungen fahnden. Nach Meinung von Bahn-Beschäftigten ist die Ursache klar: „mangelnde Übung“. Es wäre nicht gelungen, alle Beteiligten ausreichend auf die neuen Anforderungen vorzubereiten trotz eines sechstägigen Probebetriebs auf der Stadtbahn zwischen Zoo und Ostbahnhof. Ein DB-Mann: „Arbeitsschritte, die in 30 Sekunden erledigt werden müßten, dauern das Doppelte“, angefangen mit der Zug-Bereitstellung. Der seit Sonntag geltende Fahrplan, der täglich 356 Fern- und Regionalzüge auf der Stadtbahn vorsieht, sei „zu eng“. So werden für den Lokwechsel, der im Ostbahnhof am Interregio Chemnitz Rostock vorzunehmen ist, in einem Fall nur vier Minuten eingeplant normal seien 15 Minuten. Das Durcheinander führte auch gestern dazu, daß Lokführer und Zugbegleiter unpünktlich zu ihrem Dienst erschienen. Folge: Züge fielen aus oder mußten lange auf die Weiterfahrt warten. Einen „Totalausfall“ des neuen Stellwerks Berlin-Rummelsburg habe es nicht gegeben, hieß es. Doch sei der Computer bei größerem Zug-Aufkommen schwer zu handhaben. Das Bahn-Chaos sei „hausgemacht“, sagte Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen: „Vor dem neuen Stellwerk standen verdutzte Mitarbeiter und wußten nicht, wie es zu bedienen ist.“
Der Forderung des Fahrgastverbands IGEB, die DB müsse Züge von der Stadtbahn nehmen, wurde entsprochen: Seit gestern werden die Interregios nach Rostock, Chemnitz, Stralsund sowie Frankfurt am Main „vorläufig“ über Lichtenberg umgeleitet. Zudem will die Bahn Kunden „auf dem Kulanzweg“ entschädigen. Reisende sollten sich mit Taxi- und Hotel-Quittungen an die Kundenbetreuung (Ruschestraße 104, 10365 Berlin) wenden.
[Cramers Aussage trifft nicht zu, die Fahrdienstleiter wurden geschult und der Probebetrieb diente auch hier zum üben. Es ist aber wie anderswo auch, Routine hat man erst nach einiger Zeit. S.B.]
Zug-Verspätungen gehen zurück / Gewerkschafter bemängelt Managementfehler
Fahrgäste und Mitarbeiter der Deutschen Bahn (DB) atmen auf. Das Unternehmen hat das Chaos, das am Sonntag auf der Eisenbahn durchs Stadtzentrum ausgebrochen war, offenbar in den Griff bekommen. Zwar fuhren auch am Dienstag zahlreiche Fern- und Regionalverkehrszüge unpünktlich über die Stadtbahn zwischen Zoo und Ostbahnhof. Doch im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Tagen hielten sich die Verspätungen gestern in Grenzen im Durchschnitt betrugen sie fünf bis 20 Minuten. „Wir werden von Stunde zu Stunde besser“, meldete Marlene Schwarz, Berliner Sprecherin der Deutschen Bahn (DB), am Mittag.
„Wir haben unsere Büros geleert, um mit möglichst vielen Mitarbeitern auf den Bahnhöfen präsent zu sein und die Fahrgäste zu informieren“, sagte Hans Leister, DB-Regionalbereichsleiter Berlin-Brandenburg. Für die Zugausfälle und Verspätungen, die nach der Wiederinbetriebnahme der Stadtbahn am Sonntag aufgetreten waren, gebe es keine einzelne Ursache. „Viele kleine Anlässe haben sich zu einem Super-GAU hochgeschaukelt“, bestätigte Torsten Westphal, Bezirkssekretär der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED). „Einige Kollegen sagen, der zu enge Fahrplan und mangelnde Vorbereitung sind schuld. Andere machen die neue Technik verantwortlich.“
„Das Problem lag in Rummelsburg“, sagte ein Bahn-Beschäftigter. Einzelne Arbeitsabläufe im neuen Betriebswerk dauerten länger als geplant, alte Stellwerkstechnik war mit einem neuen elektronischen Stellwerk gekoppelt worden. Dessen Computer hätten funktioniert. Durch „Fehlbedienungen“ sei es aber schon Sonntag morgen zu Betriebsstörungen gekommen. Folge: „Wenn Züge nicht mehr ins Betriebswerk hineinkommen, gibt es sofort Stau auf der Stadtbahn.“ Später kamen Weichen- und Signalstörungen sowie am Montag abend sogar noch ein Schienenbruch hinzu.
Eine längere Test-Phase hätte dazu geführt, daß alle Mitarbeiter mehr Übung gehabt hätten. „Doch das Zusammenspiel aller Faktoren in der Praxis kann einfach nicht simuliert werden Anlaufschwierigkeiten sind unvermeidlich“, hieß es.
Torsten Westphal rügt „Managementfehler: „Bei der Bewältigung der Krise haben die Chefs versagt. Dafür bekamen Zugbegleiter und Service-Personal den Frust der Fahrgäste zu spüren obwohl sie am Chaos nicht schuld waren.“
Ludewig: Nächste Eröffnung wird besser vorbereitet
Die Deutsche Bahn (DB) hat mögliche Schwierigkeiten bei der Wiederinbetriebnahme der Stadtbahn „wahrscheinlich unterschätzt“. Das sagte der DB-Vorstandsvorsitzende Johannes Ludewig gestern der „Berliner Zeitung“.
Zwar hätten Bahn-Mitarbeiter noch am Mittwoch mit ihm über „Unregelmäßigkeiten“ bei den Probeläufen gesprochen. Diese hätten sich aber im Rahmen des „vor solchen Umstellungen und zu diesem Zeitpunkt Üblichen“ bewegt. Im einzelnen sei es um die Bereitstellung der Züge in Rummelsburg und die Kommunikation zwischen den Betriebsteilen gegangen. Ludewig: „Allen war klar, daß die Wiedereröffnung der Stadtbahn eine riesige Herausforderung für uns ist. Doch unsere Fachleute waren zuversichtlich, daß wir durch Simulationen und gezieltes Training bis zum entscheidenden Termin bestens gerüstet sein würden.“
Jede einzelne Schwierigkeit für sich genommen wäre gut zu bewältigen gewesen. Aber das Haupt-Manko bestand darin, daß „eine Fülle von Faktoren zusammentraf, die in ihrer Gesamtheit schwierig zu beherrschen waren“. Der DB-Chef nannte die Inbetriebnahme des Stellwerks in Rummelsburg und die dichte Zugfolge auf der Stadtbahn.
Er entschuldigte sich noch einmal für die Störungen: „Was in Berlin geschehen ist, darf einfach nicht passieren. Diesem Vorwurf müssen wir uns stellen.“ Ludewig räumte ein, daß die Information der Fahrgäste unzureichend gewesen war. „Unsere Kunden verstehen, daß es Probleme geben kann. Doch sie erwarten zu Recht, daß sie von uns ausreichend informiert werden“, so der Vorstandsvorsitzende. „Die Information hat nicht geklappt, weil bestimmte technische Systeme voneinander abhängen. Sie sind ausgefallen, so daß die Kommunikation zwischen unseren Leuten nicht mehr funktioniert hat.“
Die DB werde „konsequent daran arbeiten“, daß sich solche Störungen nicht wiederholen. Die Eröffnung der Schnellbahn Berlin Stendal, wo vom 27. September an Züge fahren, werde besser vorbereitet. Ludewig: „Wir werden üben, üben, üben.“ (pn.)
Aus dem Chaos gelernt: Planer wollen Hannover Schnellbahn länger testen
Die Reisenden im Regionalexpreß 3219 nach Cottbus erlebten Mittwoch eine Überraschung nach der anderen. Kurz bevor ihr Zug in den Bahnhof Alexanderplatz einfuhr, tönte der Anfang der Brandenburg-Hymne aus den Lautsprechern. Minuten später, als der Ostbahnhof in Sicht war, dudelte es erneut: „Steige hoch, Du roter Adler.“
Eigentlich soll das Loblied auf das Nachbar-Bundesland erst erklingen, wenn der Zug die Grenze nach Brandenburg überfährt. Doch eine Fehlsteuerung bewirkte, daß die Hymne schon in Berlin erklang.
Die Mini-Panne war kennzeichnend für die gestrige Situation auf der Stadtbahn. Das Chaos und der Zug-Stau der ersten beiden Tage sind vorbei aber viele kleinere Probleme sind geblieben. Stundenlange Zug-Verspätungen, unter denen selbst Bahn-Chef Johannes Ludewig gelitten hatte, gab es nicht doch noch immer sind pünktliche Züge rar. Gestern hatte ein Blitzschlag auf der Strecke nach Magdeburg daran Mitschuld, so die Bahn. Doch nicht nur auf dieser Linie rollten die Züge mit Verzögerung. Am Mittag fuhr der ICE vom Bahnhof Zoo nach Bonn 30 Minuten zu spät ab, dieselbe Verspätung wurde für den Intercity nach Hamburg angekündigt. Ebenfalls eine halbe Stunde hinter dem Plan rollte der Interregio aus Dortmund in die Halle. Regionalexpreßzüge nach Wittenberge brachten es auf 25 Minuten Verspätung. Der Zug zum Flughafen Schönefeld startete fast planmäßig, doch die lautstark angekündigten Wagen mit der Aufschrift „Airport Express“ fehlten. Auch gestern blieben die Zugziel-Anzeigen an den meisten Waggons dunkel.
Der Fahrgastverband Pro Bahn wirft der DB Fehler bei der Wiedereröffnung der Stadtbahn vor. „Da war manches mit der heißen Nadel gestrickt“, sagte Sprecher Holger Jansen. Die Bahn wäre besser beraten gewesen, vorerst nur einen Teil der Züge über die Strecke durch das Stadtzentrum zu leiten. Inzwischen hätten sich rund 150 Fahrgäste mit Schadensersatzansprüchen gemeldet, berichtete die DB gestern.
Für den Probebetrieb auf der Stadtbahn war nur sechs Tage Zeit gewesen. Die Inbetriebnahme der Schnellbahn in Richtung Hannover, die für den 27. September geplant ist, soll länger getestet werden. Michael Baufeld, Sprecher der Planungsgesellschaft Bahnbau Deutsche Einheit: „Wir wollen im August mit den Probefahrten beginnen.“
Strom und Signaltechnik fielen am Freitag aus
Nach den ersten beiden „Chaos-Tagen“ hatte sich der Zugbetrieb auf der Stadtbahn zwischen Zoo und Ostbahnhof stabilisiert. Doch am Freitag erlitt die Deutsche Bahn (DB) auf ihrer Berliner Problemstrecke einen schweren Rückfall. „Wir sind schlecht gestartet“, räumte Karl-Dietrich Reemtsema, beim DB-Fernverkehr Leiter für Produktion und Technik, ein. Mehrere Fern- und Regionalzüge fielen aus darunter der Eurocity nach Krakau. Andere Züge ließen lange auf sich warten. So rollte der Nachtzug EuroNight aus Budapest Wien erst nach elf Uhr, zwei Stunden verspätet, in den Bahnhof Zoo ein. Bis zum frühen Nachmittag fuhren fast alle Züge 30 bis 45 Minuten zu spät.
Zum einen habe es auf Strecken nach Berlin mehrere Zwischenfälle gegeben, sagte Hans Leister, Leiter des DB-Regionalbereichs Nahverkehr Berlin-Brandenburg. Am Morgen sei ein Zug auf einem Bahnübergang bei Caputh (Kreis Potsdam-Mittelmark) mit einem Auto zusammengestoßen. Auf einer anderen Bahnlinie sei ein Mensch von einem Zug erfaßt worden. Ein bei Saalfeld verunglückter Güterzug sorgte für Verzögerungen auf der Intercity-Linie München Hamburg.
Zum anderen hätten andauernde „Anlaufschwierigkeiten“ mit der neuen Technik zu den erneuten Störungen auf der Stadtbahn beigetragen, hieß es weiter. Die Stromversorgung sei für kurze Zeit ausgefallen, außerdem habe es zwei Signalstörungen gegeben, so Reemtsema.
Am Sonntag war die Fern- und Regionalverkehrsstrecke durch das Stadtzentrum wieder in Betrieb genommen worden, obwohl es technische Probleme gab. Das sagte Roland Heinisch, DB-Vorstandsmitglied für Forschung und Technologie. Neue Anlagen waren nur „unzureichend verfügbar“ gewesen. Das Kunden-Informationssystem sei bis zum 24. Mai nicht rechtzeitig fertig geworden, bis heute wurde die Anlage nicht abgenommen. Das elektronische Stellwerk in Rummelsburg wurde erst sechs Tage vor der Wiedereröffnung der Stadtbahn fertiggestellt. Bei der Inbetriebnahme wären „Probleme“ aufgetaucht, so Heinisch. Es habe kürzere Ausfälle und „Fehlbedienungen“ gegeben.
Technische Defekte führten außerdem dazu, daß der ohnehin äußerst kurz bemessene Probebetrieb unter Einschränkungen litt. „Er war dadurch gehandicapt, daß einige technische Anlagen ausfielen“, so das DB-Vorstandsmitglied. „Es ist traurig, daß wir bei Anlagen, die wir geliefert bekommen, Reinfälle haben.“ Heinisch kündigte an, daß mit den Lieferanten künftig eine „deutlichere Sprache“ gesprochen wird.
Dem Service-Personal dankte der DB-Manager dagegen. Er sprach den Mitarbeitern, die auch am Freitag auf den Bahnhöfen aufgebrachte Fahrgäste beruhigen mußten, seine Anerkennung aus.
Rund 600 Fahrgäste haben Ausgaben, die ihnen durch Verspätungen entstanden, zurückgefordert. Meist handelte es sich um zweistellige Taxirechnungen, so die DB.
Pünktlich zur Eröffnung der Berliner Stadtbahn waren erst die Schienen richtig verlegt die Elektronik streikt noch immer Mit Girlanden geschmückt wartete der Bahnhof Alexanderplatz auf den 24. Mai. An dem sonnigen Sonntag sollte eine neue Ära für den Regional- und Fernverkehr in Berlin beginnen: die feierliche Eröffnung der Stadtbahn-Strecke zwischen dem Bahnhof Zoo und dem Ostbahnhof dem ehemaligen Hauptbahnhof. Doch die Inbetriebnahme der neun Kilometer langen Ost-West-Verbindung endete in einem tagelangen Chaos. Manche Züge hatten Verspätungen von einer Stunde, andere fielen ganz aus. Schließlich schickte die Zentrale der Deutschen Bahn AG in Frankfurt mehrere Experten nach Berlin, um den Stau aufzulösen, unter ihnen Roland Heinisch, Mitglied im Vorstand und zuständig für Forschung und Technologie. Die Manager kamen per Flugzeug.
In nur vier Jahren hatte die Bahn rund zwei Milliarden Mark in die Renovierung der 1882 erstmals eröffneten Strecke investiert. Mehr als 50 Brücken wurden neu erbaut oder instand gesetzt; eine 25 Zentimeter dicke Stahlbetonplatte zwischen Bahnhof Zoo und Ostbahnhof trägt nun die schweren ICE-Zugköpfe.
360 Züge pro Tag
In einer Bauzeit von nur einem Jahr entstand außerdem eine neue Wartungsstation für den ICE. 360 Regional- und Fernzüge fahren nun täglich über die Stadtbahn durch Berlin und halten am Bahnhof Zoo und am Ostbahnhof. Nur noch die Intercity-Linie Hamburg Leipzig München wendet am Zoo, zwei Interregio-Linien kommen aus östlicher Richtung und sollten am Ostbahnhof wenden. Das gesamte Zugaufkommen wird künftig von elektronischen Stellwerken gesteuert, allein das am ICE-Betriebswerk Rummelsburg ersetzt neun alte Stellwerke.
Und dort, in Rummelsburg, zwischen dem Ostbahnhof und der S-Bahn-Station Karlshorst im Südosten Berlins gelegen, begann am Eröffnungssonntag auch das Chaos. Ein System von 18 Kilometer Gleisanlagen und 78 Weichen leitet an dieser Stelle die ICE-Züge, die alle im Ostbahnhof enden, weiter in eine zweigleisige Wartungshalle. Innerhalb einer Stunde werden die Wagen dort gereinigt, Reservierungs-Schildchen angebracht, Toiletten geleert und die Wassertanks nachgefüllt. Dann rollt der Zug noch durch eine Waschanlage und, bei Bedarf, durch eine Diagnoseeinrichtung, die das Fahrwerk überprüft. Das neue Stellwerk sollte die ICEs rasch von der überlasteten Strecke nehmen und zügig über das Wartungsgelände schicken, doch die vorgegebenen Zeiten waren nach technischen Pannen und einigen Bedienungsfehlern schon am Eröffnungstag nicht mehr zu halten. „Wer dort letztlich den falschen Knopf gedrückt hat, das ist für Außenstehende nicht mehr nachvollziehbar“, sagt Jürgen Siegmann vom Institut für Straßen- und Schienenverkehr an der TU Berlin.
Die Züge stauten sich vor der Einfahrt zum Betriebswerk und fuhren zu spät zurück zum Ostbahnhof. Dort wurde alles noch schlimmer: Die Anzeigen über den Bahnsteigen wiesen auf die Verspätungen nicht hin und zeigten Züge nicht an, die auf ein anderes Gleis verlegt worden waren. Normalerweise erhält dieses „Fahrgastinformationssystem“ seine Daten aus der internen Kommunikation zwischen Stellwerk und Zug doch diese Schaltung funktionierte noch nicht. Auch die Bahnhofssprecher erhalten so ihre Informationen und wußten durch die Panne nichts über die Reihenfolge der einfahrenden Züge. Das führte zu noch größeren Verspätungen: „Wenn die Aufsicht den Lokführer erst am Bahnsteig fragen kann, wo er hin will, muß der Zug natürlich länger stehen als bei einem planmäßigen Halt“, erklärt Bahn-Spezialist Siegmann. „Die Passagiere brauchen nach der Ansage Zeit, um zum Abfahrtsgleis zu kommen und da steht ein Zug dann leicht zehn, statt wie geplant, zwei Minuten.“
Hans Leister, Leiter des Bereichs Nahverkehr bei der Bahn für Berlin und Brandenburg, bestätigte das. Er gab auf einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag zu: „Die Anlage ist eigentlich noch nicht betriebsbereit.“ Nach der Fertigstellung, erst wenige Tage vor der Streckeneröffnung, sei für eine technische Abnahme der Informationsanlage keine Zeit mehr gewesen.
Das Durcheinander, das am Betriebswerk Rummelsburg mit den ICE-Zügen begann und sich am Ostbahnhof fortsetzte, legte bald die ganze Stadtbahn lahm. Zwischen den verspäteten ICEs standen auch viele Regionalzüge auf der zweigleisigen Strecke im Stau. Und die aushängenden Fahrpläne gerieten allmählich zur Dekoration.
„Wir hatten uns zuviel vorgenommen“, gestand Roland Heinisch, Technologievorstand bei der Bahn AG, am Freitag ein. Als Soforthilfe beschloß die Expertenkommission, insgesamt 29 Züge pro Tag, die am Ostbahnhof wenden sollten, in den Bahnhof Lichtenberg umzuleiten. Um zum Ostbahnhof zu gelangen, müssen die Passagiere seither in die S-Bahn umsteigen. Doch auch diese Notlösung brachte keinen durchschlagenden Erfolg. „Wir konnten das System dadurch zwar entlasten, aber nicht stabilisieren“, so Heinisch. Die Züge fuhren zwei Tage lang recht pünktlich, doch am Freitag und Sonnabend gab es wieder Pannen. Durch einen liegengebliebenen Zug, eine Signalstörung und mehrere Stromausfälle entstanden erneut große Verspätungen.
Fehler bei der Planung
Nun steckt die Bahn in einem Dilemma: Die Fahrpläne stehen fest und müssen erfüllt werden, sonst würde in anderen Städten alles durcheinandergeraten. Erst beim nächsten Fahrplanwechsel, im Sommer 1999, können Züge ganz gestrichen werden. Schon lange vor der Eröffnung blieb den Eisenbahnern gar nichts anderes übrig, als das scheinbar Unmögliche zu wagen, denn die Fahrpläne werden meist zwei bis drei Jahre vor ihrem Inkrafttreten mit Hilfe von Computertabellen erstellt und zwischen den Städten abgestimmt. Nach einem festgelegten Endtermin darf nichts mehr verändert werden; dann planen Arbeitsgruppen die Belegung der Bahnsteige und den Einsatz von Wagen und Lokomotiven. Die Fehler, deren Auswirkungen jetzt zu spüren sind, passierten also schon bei der ersten Planung, weil Anlaufschwierigkeiten nicht einkalkuliert wurden. „Am wichtigsten ist jetzt, die Ruhe zu bewahren“, sagt Heinisch. „Dann muß man die Engstelle beseitigen das ist für uns Rummelsburg. Wir müssen versuchen, dort die Abläufe zu beschleunigen.“
Bis alles erledigt ist, müssen sich Bahnreisende wohl noch auf einige Verspätungen einstellen. Doch die Experten spenden Trost: Für den reibungslosen Betrieb eines Stellwerks brauche die Besatzung mehr Routine, sagt TU-Professor Jürgen Siegmann. „Nach zwei Jahren machen die das alles im Schlaf.“ Und Nahverkehrschef Hans Leister erinnert sich an die Inbetriebnahme der S-Bahn in München, 1972: „Monatelang hat da gar nichts funktioniert. Heute fahren dort doppelt so viele Züge wie damals und zwar vollkommen reibungslos.“
Vorstandsmitglied Roland Heinisch will beim nächsten Mal klüger sein und kündigte bereits Konsequenzen an. Zwischen der Abnahme einer technischen Installation und dem Beginn des Betriebs müsse mehr Zeit bleiben. Auch Fehlbedienungen habe es gegeben, räumte er ein, deshalb müßten die Mitarbeiter sorgfältiger geschult werden.
In fünf Jahren haben die Bahn-Manager eine neue Chance zu beweisen, daß man ein Großprojekt ohne Pannen starten kann: Im Jahr 2003 soll die geplante Nord-Süd-Strecke in Betrieb gehen; an der Stelle des heutigen Lehrter Bahnhofs entsteht einer der größten Kreuzungsbahnhöfe Europas. Vielleicht wird bei dieser Einweihung auch ein Bundeskanzler den Eisenbahn-Planern auf die Finger sehen.
Untersuchung: Mitarbeiter überfordert / Technik in Ordnung
BERLIN, 11. Juni. Die Deutsche Bahn AG (DB) hat eingeräumt, daß das mehrtägige Chaos nach der Wiedereröffnung der Berliner Stadtbahn vor allem auf innerorganisatorischen Schwächen zurückzuführen sei. Dies geht aus dem Bericht einer bahninternen Expertenkommission hervor, erfuhr die „Berliner Zeitung“ aus DB-Vorstandskreisen. „Im Kern lag der Fehler bei uns“, heißt es im Bahn-Vorstand.
Die Bahn-Beschäftigten hätten nur sechs Tage Zeit gehabt, die Betriebsabläufe auf der für zwei Milliarden Mark sanierten Strecke zwischen Zoo und Ostbahnhof zu üben. Sie hätten die installierte Technik zum Teil „nicht beherrscht“. Ansonsten hätten die Anlagen funktioniert mit Ausnahme des Kundeninformationssystems.
Offensichtlich habe es zu viele Neuerungen auf einmal gegeben, heißt es in der Untersuchung. So gingen zum Fahrplanwechsel am 24. Mai nicht nur Bahnhöfe und Gleise, sondern auch Betriebsanlagen sowie ein elektronisches Stellwerk in Betrieb. Schließlich sei der Lieferant des Kundeninformationssystems nicht ausreichend kontrolliert und in die Pflicht genommen worden. Die Anzeigetafeln im Ostbahnhof und im Regionalbahnhof Alexanderplatz funktionierten anfangs nicht. Für diesen Fall hätte die Bahn eine Übergangslösung verlangen müssen, sagte ein DB-Manager.
Das Zugunglück von Eschede hat 100 Tote gefordert. Die Polizei korrigierte am Donnerstag die jüngste Zahl der Todesopfer von zuletzt 99. Nicht weit vom Ort des Unfalls, bei dem der ICE 884 am 3. Juni entgleist war, gab es erneut Probleme mit einem ICE. Der Zug mußte in Celle wegen verdächtiger Geräusche anhalten. Ein Schaden wurde jedoch nicht gefunden, so die DB. Das Bundesinnenministerium bestätigte einen Bericht, wonach während des ersten Halbjahres 1998 in Deutschland 40 Anschläge auf den Bahnverkehr verübt worden sind.
(Seiten 8, 20)
[Es sind zwei elektronische Stellwerke neu in Betrieb gegangen, Rummelsburg und Ostbahnhof. S.B.]
Die Stadtbahn wurde am 24. Mai zwischen Zoo und Ostbahnhof nach fast vierjähriger Sanierung für den Fern- und Regionalverkehr wiedereröffnet. Zunächst rollten fast 360 Züge täglich über die 8,8 Kilometer lange zweigleisige Strecke. Doch von Anfang an gab es Verspätungen bis heute.
Die Interregios Stralsund Berlin Frankfurt (Main) sowie Chemnitz Berlin Rostock werden voraussichtlich bis 21. Juni über Lichtenberg geleitet, um die Stadtbahn zu entlasten.
Das Chaos hat sich abgeschwächt. Am 1. und 3. Juni fuhren mehr als 90 Prozent der Regionalzüge pünktlich. Doch trotz aller Bemühungen sind Unregelmäßigkeiten noch immer häufig. Am 8. Juni kamen über die Hälfte der Regionalzüge mehr als fünf Minuten zu spät, am 10. Juni waren es 14 Prozent.
Experten-Bericht nennt mangelnde Übung als Ursache für Störungen Das Chaos, das sich nach der Wiedereröffnung der Fern- und Regionalbahnlinie durch das Stadtzentrum ereignete, ist aufgeklärt. Mangelnde Übung, zu viele Planungsziele sowie die unzureichende Kontrolle von Lieferanten verursachten das Durcheinander auf der Stadtbahn, das am 24. Mai begann und bis heute nicht völlig beendet ist. Das geht aus dem Bericht einer bahninternen Expertenkommission hervor, von dem die „Berliner Zeitung“ aus Vorstandskreisen der Deutschen Bahn (DB) erfuhr.
„Im Kern lag der Fehler bei uns“, faßte ein DB-Manager zusammen. Mit Ausnahme des Kundeninformationssystems habe die neue Technik von Anfang an funktioniert.
Das Info-System versagte
„Die Technik war da. Doch es ist einfach nicht genug geübt worden. Dadurch ist sehr schnell ein Desaster entstanden“, hieß es. Wie berichtet, war die Sanierung der Berliner Stadtbahn zwischen Zoo und Ostbahnhof erst sechs Tage vor der Wiedereröffnung abgeschlossen geworden zu spät, um alle Mitarbeiter mit den neuen Betriebsabläufen ausreichend vertraut zu machen.
Vor allem die neue Zugbildungsanlage in Rummelsburg, wo lokbespannte Züge zusammengestellt werden, habe sich als Schwachpunkt erwiesen: „Von dort kamen die Züge nicht pünktlich auf die Stadtbahn.“ Die Mitarbeiter hätten die Technik anfangs „nicht beherrscht“.
Als zweites Handicap stellte sich heraus, daß die DB-Planer eine „alte Eisenbahner-Weisheit“ offenbar mißachtet hatten: „Man soll nie zu viele Dinge zugleich in Angriff nehmen.“ Normalerweise birgt bereits ein Fahrplanwechsel die Gefahr, daß der Bahnbetrieb für kurze Zeit durcheinandergerät. In Berlin kamen gleich mehrere Störquellen hinzu. In Rummelsburg nahmen nicht nur neue Betriebsanlagen die Arbeit auf, sondern auch ein elektronisches Stellwerk, das auf einen Schlag acht herkömmliche Stellwerke ersetzte. Zudem wurde die frisch sanierte Stadtbahn von Anfang an stark belastet: Fast 360 Züge mußten plötzlich über die zweigleisige Strecke geleitet werden.
Am 24. Mai sollte in Berlin auch ein computergesteuertes Kundeninformationssystem Premiere feiern. Doch die nagelneuen Anzeigetafeln im Ostbahnhof und am Alexanderplatz funktionierten nicht, was die Orientierungslosigkeit unter den Fahrgästen noch vergrößerte. Ein DB-Mitarbeiter räumt ein: „Wir hätten dem Lieferanten ein klares Datum setzen müssen“ mit der Vorgabe, als Übergangslösung eine „Rückfallebene“ zu schaffen, falls das Info-System nicht pünktlich fertig wird. „Statt dessen verließen wir uns auf den Hersteller, der uns noch acht Tage vor der Wiedereröffnung der Stadtbahn sagte, er kriegt alles rechtzeitig in die Reihe.“
Die DB ist zuversichtlich, daß es bei der Eröffnung der Hochgeschwindigkeitsstrecke Berlin Hannover am 27. September kein Chaos geben wird. Es seien „klare Verantwortlichkeiten“ geschaffen worden, hieß es dazu im Bahn-Vorstand. Die Eröffnung der neuen Schnellbahn werde intensiv und lange geübt.
Premiere am 13. September
Dem Vernehmen nach will Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) die für Tempo 250 ausgelegte Neubaustrecke am 13. September einweihen. Noch unklar ist jedoch, wohin er mit dem Eröffnungszug fahren wird. Der erste größere Halt entlang der 264 Kilometer langen Bahnlinie, Stendal, liegt in Sachsen-Anhalt dort würde Kohl von Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) erwartet, der seine Landesregierung zum Mißfallen des Kanzlers von der PDS tolerieren läßt. In Hannover stünde Kohls Widersacher bei der Bundestagswahl, SPD-Spitzenkandidat und Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD), am Bahnhof.
Alle vorangehenden Artikel sind aus der Berliner Zeitung, alle Rechte dort.