Unter der Projektbezeichnung Stadtfernbahn wurde in den dreißiger Jahren die Ausrüstung der Ferngleise der Berliner Stadtbahn mit Lichtsignalen und selbsttätigem Streckenblock in Angriff genommen. Selbsttätiger Streckenblock mit Lichtsignalen war bei der Berliner S-Bahn und bei städtischen Bahnsystemen bereits seit einigen Jahren in Betrieb, zu einem Einsatz auf Fernstrecken konnte sich die Reichsbahn jedoch bis dahin wegen der etwas anderen betrieblichen Anforderungen noch nicht entschließen. Bei der Berliner Stadtbahn handelt es sich um die im Jahre 1882 eröffnete, viergleisige, knapp 12 km lange und größtenteils als gemauertes Viadukt ausgeführte Eisenbahnstrecke zwischen dem heutigen Ostbahnhof, damals noch Schlesischer Bahnhof, und Charlottenburg (Karte). Sie hat zwei Gleise für die heutige S-Bahn und zwei Gleise für den Fernverkehr. Die Vorgeschichte, die mich dazu brachte mich mit diesem Thema zu beschäftigen, ist kurz unter Wie es hierzu kam beschrieben.
Einen ersten Entwurf, in dem die Notwendigkeit der selbsttätigen Signalanlagen mit der hohen Zugzahl und den hierfür unzureichenden Blockanlagen auf der Stadtbahn begründet wurde, legte die Reichsbahndirektion (RBD) Berlin dem Reichsverkehrsministerium (RVM) im Jahre 1937 vor. Dieses verlangte, parallel zur weiteren Bearbeitung der selbsttätigen Anlagen auch zu untersuchen, ob sich die gewünschten Verbesserungen für den Betrieb nicht auch mit zusätzlichen Blockstellen und der Anordnung einiger Nachrücksignale erreichen ließe. Außerdem wies das RVM darauf hin, daß außer der eigentlichen Stadtbahn auch die Zulaufstrecken von den betrieblich mit der Stadtbahn eine Einheit bildenden Abstellbahnhöfen Rummelsburg und Grunewald zu betrachten seien. Im Gegensatz zu den Blocksignalen der S-Bahn, bei denen bei Sv 3 – Halt! Weiterfahrt nur mit besonderer Vorsicht – die Vorbeifahrt ohne einen von einem Fahrdienstleiter erteilten Auftrag erlaubt ist, sollte hier auch bei selbsttätigen Blocksignalen die Vorbeifahrt am haltzeigenden oder gestörten Signal nur auf Ersatzsignal oder Befehl erlaubt werden. Als Haltbegriff war daher stets Rot – Hp 0 – vorgesehen. Mit Rücksicht auf die an den parallelen S-Bahngleisen angeordneten Signalverbindungen wählte man, nach anfänglichen Überlegungen für die Ferngleise ebenfalls Signalverbindungen zu verwenden, auf Weisung des RVM die Nachtzeichen der Formsignale als Signalbegriffe. Damit sollte vor allem die Einheitlichkeit mit dem übrigen Fernstreckennetz gewahrt werden. Außerdem waren noch Signalbegriffe in der Art wie sie für den Güteraußenring vorgesehen wurden vorgeschlagen worden, hier jedoch mit schräger Anordnung der Lichter wie beim Vorsignal. Durch die unterschiedlichen Systeme für S- und Fernbahn ergab sich bei den Sichtverhältnissen auf der Stadtbahn, die durch die kurvenreiche Trasse und die teilweise bis an das Viadukt heranreichende Bebauung beeinträchtigt wurden, auf den ersten Blick eine erwünschte Unterscheidbarkeit für die Triebfahrzeugführer. Dem Schriftwechsel mit dem Errichter der Anlagen, den Vereinigten Eisenbahnsignalwerken (VES), ist zu entnehmen, daß dies die „erste selbsttätige Streckenblockanlage für eine Fernstrecke der Deutschen Reichsbahn“ werden sollte.
Mit der selbsttätigen Streckenblockung sollte eine dichteste Zugfolge von drei Minuten erzielt werden, wobei ein D-Zug mit 700 t Masse, gezogen von einer Dampflok der Baureihe 03 zugrundegelegt worden war. Bei Verspätungen oder starkem Verkehr sollte der selbsttätige Block ein Nachrücken der Züge mit bis zu zwei Minuten Zugfolge zulassen. Die bis dahin auf der Stadtbahn vorhandenen Blockstellen mit Formsignalen und Handblock ließen dagegen nur Zugfolgen von sechs bis sechseinhalb Minuten zu. Seinerzeit gab es zwischen dem Schlesischen Bahnhof und Charlottenburg außer den Bahnhöfen Alexanderplatz, Friedrichstraße und Zoologischer Garten noch sechs Blockstellen. Außer Block-, Einfahr- und Ausfahrsignalen war vor jedem Bahnsteig an jedem Bahnsteiggleis ein Nachrücksignal vorgesehen. Als Grundstellung der selbsttätigen Blocksignale war wie bei der S-Bahn die Fahrtstellung vorgesehen, die übrigen, stellwerkabhängigen Signale hatten wie üblich Halt als Grundstellung. Zunächst war vorgesehen, die Haltstellung des jeweiligen Signals durch die letzte Zugachse zu bewirken. Bei der S-Bahn wird die Haltstellung des Signals durch das Befahren des hinter dem Signal angeordneten Isolierstoßes durch die erste Zugachse bewirkt, was dann auch für die Fernbahn übernommen wurde. Die bei der S-Bahn gebräuchliche Löschung unmittelbar am Signal wurde hier jedoch nicht verwendet, weil das Fahren auf Sicht nicht vorgesehen war.
Die Signale waren mit getrennten Haupt- und Vorsignalschirmen an gemeinsamem Mast ausgeführt. Es gab lediglich drei einzelnstehende Vorsignale an Übergangsstellen vom herkömmlichen Signalsystem auf die neuen Lichtsignale, die am Standort von Formhauptsignalen angeordnet waren. Die Vorsignalbegriffe entsprachen den damals gültigen Nachtzeichen der dreibegriffigen Formvorsignale. Anders als bei den unmittelbar vor Formhauptsignalen angeordneten Formvorsignalen üblich erhielten die Signale anscheinend keine Vorsignaltafeln. Bei den Signalverbindungen der S-Bahn, die anfänglich mit Vorsignaltafeln ausgerüstet waren, verzichtete man später ebenfalls darauf.
Begriff | Signalbild | Bedeutung | |
Hp 0 | ein rotes Licht | Halt | |
Hp 1 | ein grünes Licht | Fahrt frei | |
Hp 2 | ein gelbes Blinklicht | Fahrt frei mit Geschwindigkeitsbeschränkung auf 40 km/h oder eine durch besondere Anordnung festgesetzte Geschwindigkeit | |
Vz 1 | zwei nach rechts steigende gelbe Lichter | Am Hauptsignal ist Halt (Hp 0) zu erwarten | |
Vz 2 | zwei nach rechts steigende grüne Lichter | Am Hauptsignal ist ein Flügel in Fahrtstellung oder das entsprechende Nachtzeichen (Hp 1) zu erwarten | |
Vz 3 | zwei nach rechts steigende gelbe Lichter unter dem oberen und höher als das untere gelbe Licht ein grünes Licht | Am Hauptsignal sind zwei oder drei Flügel in Fahrtstellung oder die entsprechenden Nachtzeichen (Hp 2 oder Hp 3) zu erwarten | |
Ve 5 | drei weiße Lichter in Form eines A | Am haltzeigenden Hauptsignal (Hp 0) ohne schriftlichen Befehl vorbeifahren | |
Ve 6 | drei weiße Lichter in Form eines V | Vorrücken |
Bei den Hauptsignalen wurden außer dem üblichen Rot für Hp 0 und Grün für Hp 1 für den Begriff Hp 2 ein gelbes Blinklicht verwendet. Dies hing mit der beabsichtigten Einführung der einflügligen Dreibegriffhauptsignale auf den übrigen Fernstrecken zusammen, die versuchsweise zuerst auf den Strecken Berlin—Hamburg und Berlin—Breslau eingebaut werden sollten. Diese Signale sollten nur noch einen Flügel haben und den Begriff Hp 2 mit dem 40° nach rechts unten weisenden Flügel signalisieren, als zugehöriges Nachtzeichen waren zunächst zwei gelbe Lichter senkrecht übereinander, ab 1937 aber ein gelbes Blinklicht vorgesehen. Für Formsignale wurde von der Firma Pintsch eine Propanlaterne mit mechanisch zuschaltbarer, gasgetriebener Blinkvorrichtung entwickelt, die das Blinken durch einen auf- und niedergehenden Blechzylinder bewirkte.
Blendenrelais für drei Farben und Laterne dazuDie verschiedenen Farben wurden wie bei den Relaissignalen der S-Bahn stets mit einer Signallaterne erzeugt. Hierzu hatte das Vorsignal für die Lichter unten links und oben rechts je ein Blendenrelais mit den Farben gelb und grün in der Laterne. Für das Zusatzgrün genügte eine einfache Laterne. Das Hauptsignal hatte der oben abgebildeten Zeichnung zufolge oben eine Laterne mit einem Blendenrelais für rot, gelb und grün, darunter eine Laterne für das Notrot und unten einen Kasten für das Ersatzsignal. Einem entsprechenden Schaltplan von 1941 zufolge war jedoch für das gelbe Blinklicht eine separate Lampe und damit folglich eine weitere Laterne vorhanden. Dieser Widerspruch ließ sich bisher nicht klären. Errichter der Anlagen waren die Vereinigten Eisenbahnsignalwerke (VES), die tatsächlich Blendenrelais für drei Farben im Fertigungsprogramm hatten und entsprechende Laternen auch in das Ausland lieferten. Dem Bild des Blendenrelais zufolge wäre die mittlere, vermutlich gelbe Blendenstellung durch die oben sichtbare mechanische Klinke fixiert worden, die für die grüne Blendenstellung vermutlich angehoben werden mußte. Einem Foto der Rückseite zufolge hatte das Blendenrelais für die dritte Blendenstellung ein zweites Magnetsystem, das heißt dieses hätte wohl die Kraft aufbringen müssen, um die Klinke anzuheben. Möglicherweise hatte die Reichsbahn hier Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit derartiger mechanischer Einrichtungen.
Das oben abgebildete Signal entsprach etwa dem Signal 509 / V 507 an der Abzweigstelle Vnk in Rummelsburg. Hier lagen seinerzeit bereits Weichen mit 1200 Metern Zweiggleishalbmesser, die auf dem abzweigenden Strang mit 100 km/h befahren werden konnten. Daher war auch die Fahrt im abzweigenden Strang mit Hp 1 zu signalisieren. Zur Unterscheidung der Fahrwege war deshalb ein Richtungsanzeiger mit den Buchstaben F für Fürstenwalde und K für Küstrin erforderlich. Das Blendenrelais im Hauptsignalschirm dieses Signals benötigte daher auch nur die Farben rot und grün. Eine Besonderheit ergab sich hier durch die auf Stahlschwellen verlegten Weichen, die den Einbau der Gleisstromkreise im Weichenbereich verhinderten. Zur Behebung des Problems wurden vor und hinter den Weichen jeweils ein kurzer Isolierabschnitt an der Weichenspitze und an beiden Weichenenden eingerichtet, die bei reihenfolgegerechtem be- und freifahren wie ein einziger Abschnitt wirkten. Wendete allerdings eine Fahrt im Weichenbereich, so blieb der betreffende Weichenabschnitt besetzt gemeldet. Da es sich an dieser Stelle aber um Streckengleise (kein Rangierbetrieb) handelt, dürften dadurch im planmäßigen Betrieb keine Nachteile entstanden sein.
Auch die selbsttätigen Blocksignale erhielten aus den oben bereits genannten Gründen Ersatzsignale in der üblichen Form. Von der S-Bahn wurde das bei den Sv-Signalen beschriebene Prinzip der Übertragung der Vorsignalinformationen über zwei entgegengesetzte Phasenlagen im Gleisstromkreis, die Tag/Nacht-Schaltung für die Lampenstromkreise mittels separatem Netz und die zweischienige Isolierung der Streckengleise mit Drosselstößen übernommen. Ersteres sparte Adern im Abhängigkeitskabel, letzteres war trotz des Dampfbetriebes auf den Ferngleisen erforderlich, weil die Ferngleise zur Erhöhung des Querschnittes gleichzeitig der Rückstromführung der S-Bahn dienten. Zur Speisung der Signale sollten insgesamt fünf Stromversorgungsanlagen errichtet werden, die auch die bereits vorhandenen Anlagen der S-Bahn mitversorgen sollten. Im Regelbetrieb wurde aus dem bahneigenen Netz gespeist, bei dessen Ausfall auf das öffentliche Netz der BEWAG umgeschaltet und das dieselbetriebene Notstromaggregat gestartet wurde. Sobald dieses die nötige Drehzahl erreicht hatte, übernahm es die Speisung der Anlage. Über die Stromversorgungsanlagen wurde wie bei den Sv-Signalen die Tag/Nacht-Schaltung durch verringern der Spannung im Netz für die Lampenstromkreise bewirkt. Außerdem konnte zur Verdunklung, also zum Schutz gegen Fliegerangriffe die Spannung noch weiter abgesenkt werden. Hierbei ergaben sich dann aber Probleme infolge der durch den nun gelblicher leuchtenden Glühfaden hervorgerufenen Farbverschiebung in Richtung Rot. Zur Speisung des Notrotes und des Ersatzsignales bei Netzausfall war im Schaltschrank jedes Signals eine aus dem Netz gepufferte Batterie untergebracht.
Die Signale trugen wie bei der S-Bahn Nummern als Bezeichner, beginnend mit Nr. 500 im Bahnhof Rummelsburg am durchgehenden Hauptgleis aus Richtung Frankfurt (Oder). Anders als im Bild oben wurden die Vorsignalbezeichnungen aber nicht am Signal angegeben. Unmittelbar vor jedem Bahnsteig war an jedem Bahnsteiggleis ein Nachrücksignal vorgesehen. Auf der Stadtbahn hätten sich dadurch Signalabstände bis herab zu 292 Metern ergeben. Die Blockabschnitte auf freier Strecke wären jeweils um die 570 m lang geworden, der größte Signalabstand hätte dort 657 m betragen.
Streckenschema Schlesischer Bahnhof—Rummelsburg
Für den Bahnhof Friedrichstraße hatte man ein neues Zentralstellwerk vorgesehen, weil man erkannt hatte, daß bei der Abwicklung der Zugfahrten zu viel Zeit für die Verständigung der beiden Stellwerke untereinander verloren ging. Das Stellwerk sollte wegen des von hier aus guten Überblicks zunächst ähnlich wie am Schlesischen Bahnhof in die östliche Hallenschürze über den Ferngleisen, später aber in das vorhandene Gebäude des Stellwerks Friw eingebaut werden. Vorgesehen war ein „Hebelwerk mit ferngestellten Achsen“, ein später so genanntes Patronenstellwerk. Dabei wären die benötigten Weichen beim Einstellen einer Fahrstraße selbsttätig in die entsprechende Stellung umgestellt worden und brauchten so nicht mehr einzeln gestellt zu werden.
Das neue Stellwerk Friedrichstraße sollte neben der für den eigenen Stellbereich eine zusätzliche Gleistafel erhalten, von der aus die Ersatzsignale für den gesamten Stadtbahnbereich bedient werden sollten. Hier sollte außerdem eine Zugnummernmeldeanlage eingebaut werden, bei der erstmals Ziffernanzeigen nach dem Prinzip der dann nach dem Krieg verwendeten Projektionsoptiken zum Einsatz kommen sollten. Für die anschließenden Streckenabschnitte bis Rummelsburg bzw. Grunewald wurden Zugnummernmeldeanlagen auch für die Stellwerke Sot auf dem Schlesischen Bahnhof und Chab auf dem Bahnhof Charlottenburg vorgesehen.
Legende | 204 | Hauptfadenüberwachungsrelais für Hauptsignal | ||||
101 | Blendenrelais Hauptsignal (rot/grün) | 224 | Hauptfadenüberwachungsrelais für Vorsignal | |||
102, 103 | Blendenrelais Vorsignal (gelb/grün) | 205 | Hauptsignallichtrelais | |||
201 | Löschrelais | 215 | Netz- u. Hauptsignallichtrelais | |||
202 | Blockrelais (Dreilagen) | 225 | Vorsignallichtrelais | |||
203 | Blockhilfsrelais | 222 | Zeitrelais Ersatzsignal | |||
213 | Zugvormelderelais | 223 | Überwachungsrelais Ersatzsignal |
Ausführlichere Erläuterungen zu derartigen Schaltungen sind bei den Sv-Signalen zu finden, wer hier Schwierigkeiten hat lese bitte zunächst dort nach. Die hier beschriebene Schaltung der Stadtfernbahn weist einige Gemeinsamkeiten mit denen der Sv-Signale auf, jedoch sind wegen der abweichenden Bedingungen eine Reihe Unterschiede vorhanden. Außer dem im Abstand der Schutzstrecke hinter dem Signal angeordneten Drosselstoß sind noch zwei Schienenkontakte S I und S II etwa 50 m vor dem Signal bzw. etwa 5 m hinter dem Stoß angeordnet, ein besonderer Löschstoß ist nicht vorhanden. Auf den Löschstoß konnte man verzichten, weil Fahren auf Sicht nicht vorgesehen war, ein vorrückender Zug also kein durch den vorausfahrenden Zug noch nicht in Haltstellung gebrachtes Signal vorfinden kann. Als Zugbeeinflussung wird die Indusi verwendet, die damals noch getrennte Magnete für 1000 und 2000 Hz benötigte, weil es die heutige, kombinierte Ausführung noch nicht gab. Die zur Steuerung der Indusimagnete dargestellten Kontakte können von der tatsächlichen Ausführung abweichen, der vorliegende Schaltplan des Signals 512 enthält diese Stromkreise nicht. Im Bereich der Stadtbahn waren bis auf einzelne Ausnahmen keine 500 Hz-Magnete vorgesehen, weil hier die Höchstgeschwindigkeit mit 60 km/h unter der Prüfgeschwindigkeit 65 km/h bei 500 Hz für die hier verkehrenden Zuggattungen liegt, eine Beeinflussung also wirkungslos bleibt. Folgend sind stichpunktweise die Schaltungsabläufe während einer Zugfahrt beschrieben.
SI befahren: 213 zieht an; Zugvormeldung im Stellwerk ····· Isolierstoß befahren: 202 fällt ab; 203, 101, 102, 103 fallen ab; La 102/103 werden abgeschaltet; 225 fällt ab; 205 zieht an; Signal zeigt Hp 0 ····· SII befahren: 201 u. 213 fallen ab; sollte 202 oder 203 nicht abgefallen sein, so wird jetzt trotzdem das Signal in Halt gestellt, alle Blendenrelais fallen ab, das Vorsignal würde jedoch weiter leuchten ····· Isolierstoß freigefahren: Speisung des Abschnittes zum rückgelegenen Signal mit Linksphase ····· Isolierstoß am nächsten Signal freigefahren, von dort Speisung des Abschnittes mit Linksphase: 202 dreht nach links; 203 u. 201 ziehen an; La 102/103 werden eingeschaltet; 225 zieht an; 205 fällt ab; 101 zieht an; Signal zeigt Hp 1 u. Vz 1; Speisung des Abschnittes nach rückwärts mit Rechtsphase ····· Vom nächsten Signal Speisung des Abschnittes mit Rechtsphase: 202 dreht von der Links- in die Rechtslage; 102 u. 103 ziehen an; Vorsignal zeigt Vz 2
Die Schaltung weist gegenüber der der Sv-Signale einige Besonderheiten auf. Von jedem Signal werden in das zuständige Stellwerk Meldungen übertragen, die dort auf einer Gleistafel dargestellt werden. Melderelais, die momentan nicht anziehen sollen, sind zumeist beiderseitig an Minus gelegt, um mögliche Fremdbeeinflussung unschädlich zu machen. Der Minus der Meldeschaltung wird bis in das Stellwerk geschaltet, so daß die Meldeschaltung von der übrigen Stellwerkschaltung galvanisch getrennt und außerdem erdfrei ist. Sollte eine Störung eintreten, die die Fahrtstellung des Signals verhindert, so kann der Fahrdienstleiter nach Auswertung des Meldebildes das Ersatzsignal einschalten, das über das Verzögerungsrelais 222 nach 90 s wieder gelöscht wird. Um das Ersatzsignal zum richtigen Zeitpunkt bedienen zu können, wurde durch das Zugvormelderelais am betreffenden Gleisabschnitt auf der Gleistafel eine weiße Lampe angeschaltet. Im Schaltschrank war außerdem eine weitere, hier nicht dargestellte, von außen nach öffnen einer Klappe zugängliche Ersatzsignaltaste mit Zählwerk und ein Signalfernsprecher untergebracht, mit dem das Zugpersonal Verbindung zum zuständigen Fahrdienstleiter aufnehmen konnte. Bei völlig gestörter Anlage sollte der Zugführer auf Weisung des Fahrdienstleiters das Ersatzsignal bedienen. Solange das Ersatzsignal leuchtet wird außerdem das Vorsignal angeschaltet. Im Schaltschrank jedes Signals war eine gepufferte Batterie angeordnet, die bei Netzausfall oder komplett durchgebrannter Hauptsignallampe ein Notrot – La 104 – speist. Zur Überprüfung der Funktionstüchtigkeit des Notrots ist eine Prüftaste 402 vorhanden. Aus der Batterie wird ggf. außerdem noch das Ersatzsignal 105 gespeist, das somit auch bei Netzausfall noch bedient werden konnte. Allerdings funktioniert in dem Fall die Überwachung im Stellwerk nicht mehr, weil die Meldeschaltung aus dem Schrank gespeist wird. Nach länger andauerndem Netzausfall kann mit dem Schalter S 404 der Ladestrom erhöht werden, um die Batterie in kürzerer Zeit nachzuladen. Der Schienenkontakt SII bzw. das entsprechende Relais im Stellwerk sollte außerdem die Zugnummer auf der Gleistafel in den nächsten Abschnitt weiterschalten.
Auf der Gleistafel Sot waren freie Gleisabschnitte wie bei der S-Bahn erleuchtet, besetzte dunkel dargestellt. Darüber hinaus sollten eingestellte Fahrstraßen auf Wunsch der RBD heller leuchtend dargestellt werden, was sich aber nicht bewährte, da bei hellerem Tageslicht der Unterschied kaummehr wahrnehmbar war. Die VES schlugen daraufhin die Verwendung des 1941 mit einer Richtlinie eingeführten Dreifarbsystems vor, derzufolge freie Abschnitte grün, eingestellte Fahrstraßen gelb und besetzte Abschnitte rot darzustellen waren. Die Stellung der Weichen sollte in Sot erst durch geringere Helligkeit des nichtbefahrenen Schenkels, dann durch dessen völlige Verdunklung angezeigt werden. Der durchgebrannte Hauptfaden des Hauptsignals wurde durch blinkenden Rückmelder auf der Gleistafel angezeigt, der durchgebrannte Hauptfaden am Vorsignal dagegen durch verloschenen Vorsignalrückmelder.
Ursprünglich war die Inbetriebnahme noch für 1938/39 vorgesehen. Weil die Ausrüstung der eigentlichen Stadtbahn wegen der vielen dort erforderlichen Signalausleger und -brücken aufwendiger war und Stahl bereits rationiert wurde, wollte man als erstes den Streckenabschnitt Rummelsburg—Schlesischer Bahnhof (Karte) umstellen, für den nur Mastsignale erforderlich waren. Aufgestellt wurden zunächst die Signale bis Nr. 526 am östlichen Bahnsteiganfang im Schlesischen Bahnhof. Die beteiligten Stellwerke waren elektromechanische der Bauart S&H 1912 – seinerzeit Kraftstellwerke genannt – und erhielten Gleistafeln, auf denen die Besetzung der Gleise und die Stellung aller Lichtsignale dargestellt wurde. Das vorher mechanische Stellwerk Vnk erhielt hierfür ein an anderer Stelle freigewordenes elektromechanisches Hebelwerk.
Der ursprünglich vorgesehene Zeitplan konnte nicht eingehalten werden. Stattdessen gingen die Signalanlagen bis zum Schlesischen Bahnhof abschnittsweise im März bzw. Juli 1942 in Betrieb, nachdem mit der Montage erst Mitte 1939 begonnen worden war. Dabei waren lediglich die Signale 510, 515 und 517 selbsttätige Signale, die auch erst nachträglich im März 1943 in Betrieb genommen worden waren, nachdem eine besondere Dienstanweisung für das Verhalten der Beteiligten bei Störungen usw. erstellt worden war. Alle übrigen Signale waren hebelbedient, also halbselbsttätig. Eigentlich hätten auch die Signale 511, 512 und 514 selbsttätig eingerichtet werden können, da sie keine Weichen zu decken hatten. 512 war dies dem Schaltplan zufolge auch, so daß hier ein Widerspruch bleibt. Diese drei Signale ersetzten vorher bereits vorhandene Blocksignale, die von den Stellwerken Okw, Oko und Schga aus bedient worden waren.
Nach Kriegsbeginn kam der Aufbau nur noch schleppend voran, weil es für das Projekt keine Dringlichkeitseinstufung gab und die VES mit anderen Aufträgen ausgelastet waren. Man hatte mehrfach versucht eine Dringlichkeitseinstufung zu erlangen, um das Projekt fortsetzen zu können. Zuletzt sollte es im Kriegsprogramm Speer untergebracht werden, das wegen der beabsichtigten Stillegung des Lehrter und des Potsdamer Bahnhofs den Bau eines dritten Fernbahnsteiges in Charlottenburg und den Bau einer Rampe von der Blockstelle Brückenallee zum Güterbahnhof Spreeufer vorsah. Die Stadtbahn hätte dann die zusätzlichen Züge aufzunehmen gehabt, die auf dem Gelände des Lehrter Bahnhofs nördlich der Stadtbahn abgestellt werden sollten.
Letztlich konnte der Abschnitt Schlesischer Bahnhof—Charlottenburg nicht mehr fertiggestellt werden, da es wegen der fehlenden Dringlichkeitsstufe nicht möglich war, den Stahl für die wegen der beengten Verhältnisse auf der Stadtbahn benötigten Signalbrücken und -ausleger zu beschaffen. Mit einer Verfügung des RVM vom Mai 1943 wurde das Projekt endgültig zu den Akten gelegt. Auch die Zugnummernmeldeanlagen und das Stellwerk Friedrichstraße wurden nicht mehr gebaut. Die bereits vollzählig angelieferten Schaltschränke und Signale wurden zunächst im nicht mehr genutzten Lokschuppen auf dem Bahnhof Charlottenburg eingelagert. Als dieser abgerissen werden sollte, wurde das Material im Bahnhof Zoologischer Garten eingelagert. Über den weiteren Verbleib liegen bisher keine gesicherten Informationen vor. Man hatte noch erwogen, es auf dem Streckenabschnitt Moabit—Wustermark einzubauen, um dessen Durchlaßfähigkeit zu erhöhen. Dies wurde jedoch vom RVM abgelehnt. Wahrscheinlich wurde das Material nach 1945 zur Reparatur der beschädigten Sv-Signalanlagen verwendet. Einige Schränke, die der Fernbahnausführung glichen, fanden sich in den neunziger Jahren im Westteil Berlins bei der S-Bahn an Sv-Signalen. Vermutlich stammen diese aus dem Fernbahnbestand.
Auf Anordnung des Reichsverkehrsministeriums vom April 1943 sollten die Signalbilder in die allgemein erst nach 1948 (DB) bzw. 1953 (DR) übliche Darstellung geändert werden. Diese Anordnung erging, weil inzwischen das einflüglige Dreibegriffhauptsignal als Einheitsform festgesetzt worden war, bei dem Hp 2 nunmehr mit einem grünen Licht oben und einem gelben Licht unten dargestellt werden sollte. Vz 3 sollte nun mit einem gelben Licht links unten und einem grünen Licht rechts oben dargestellt werden. Hierzu mußten die Hauptsignalschirme bei den betroffenen Signalen so geändert werden, daß sie eine zusätzliche Laterne aufnehmen konnten und sich ein ausreichender Abstand zwischen der grünen und der gelben Laterne ergab. Laut Amtsblatt der RBD Berlin wurden die Signalbilder im Oktober 1944 geändert. Bei den Vorsignalen ist diese Änderung insofern bemerkenswert, als vor der Einführung der dreibegriffigen Vorsignale ebendieses Signalbild als Nachtzeichen für den dritten Begriff vorgesehen war. Die in Schlesien auf der Versuchsstrecke I aufgestellten Vorsignale waren in der entsprechenden Weise vorbereitet, sie hatten wo erforderlich ein drittes Laternenpaar für grün/gelb erhalten, das zunächst aber grün/grün zeigen mußte.
Die Signale des Streckenabschnitts Rummelsburg—Schlesischer Bahnhof wurden nach Kriegsende abgebaut, wobei fraglich ist was davon überhaupt noch in Betrieb war. Näheres ließ sich dazu bisher nicht in Erfahrung bringen. Vermutlich diente der Rückbau der Ersatzteilgewinnung für die Sv-Anlagen der S-Bahn, bei denen infolge Kriegseinwirkung offenbar erhebliche Verluste zu verzeichnen waren. Technische Gründe für den Rückbau dürfte es nicht gegeben haben, denn die Schlesische Bahn behielt ihr zweites Streckengleis anders als die meisten Fernstrecken in der sowjetischen Besatzungszone stets. Allerdings wurde eines der Gleise zeitweilig auf die russische Breitspur umgebaut. An einige der Blockschränke waren Schaltplänen aus den Jahren 1947/48 zufolge Formsignale mit elektrischem Antrieb angeschlossen worden. Auch die übrigen Schränke blieben stehen. Die Gleisfreimeldeanlage blieb, angepaßt an die dann noch vorhandenen Signale, in Betrieb. Sie entfiel wegen ihrer Betriebsfrequenz 50 Hz erst mit der Anpassung der Stellwerke an die bevorstehende Elektrifizierung der Ferngleise Anfang der achtziger Jahre. Offenbar behielten die Formsignale die Nummernbezeichnungen der vordem dort stehenden Lichtsignale, allerdings wurden nicht alle Lichtsignale durch Formhauptsignale ersetzt, so daß die Blockteilung nicht mehr so dicht wie vorher war. Die später aufgestellten Hl-Signale erhielten auch wieder die 500er Nummern, es wurden aber keine selbsttätigen Signale mehr vorgesehen. Das Speisekabel der Fernbahnanlage wurde auf dem Abschnitt Ostkreuz—Rummelsburg beim Wiederaufbau der ab dem Schlesischen Bahnhof völlig demontierten S-Bahngleise für die Speisung der hier in diesem Zusammenhang erstmals aufgestellten Sv-Signale mitverwendet. Außerdem waren über manche Fernbahnschränke noch Abhängigkeitsverbindungen geschaltet. Als die Sv-Signale in den 80er Jahren wieder entfielen, wurden auch einige der noch vorhandenen Fernbahnschränke entfernt, so daß sich 2005 nur noch fünf leere Schränke und eine Anzahl Mastfundamente auffinden ließen. Die meisten sind inzwischen bei Bauarbeiten beseitigt worden.
Mastfundament des Signals 518 (hinten), links die Einfahrt in den heute nicht mehr
vorhandenen S-Bahntunnel, der die S-Bahngleise nach Erkner unterquert, rechts das
Ferngleis (Frühjahr 1998 während der Stadtbahnsperrung)
Mastfundament und Schrank des Signals 507. Die Türen des Schranks ließen sich zur
Böschungsseite öffnen, vor dem Schrank ist hierfür eine kleine Stellfläche hergerichtet,
an der Stützwand war eine kleine Leiter befestigt