Selbstblock Blanken­heim—Nord­hausen

Noch während des Zweiten Weltkrieges wur­de auf dem Stre­cken­ab­schnitt Blan­ken­heim—Nord­hau­sen der Stre­cke Hal­le—Kas­sel ein selbst­tä­ti­ger Stre­cken­block mit Licht­sig­na­len ein­ge­baut. Es er­staunt et­was, daß die­ses Pro­jekt un­ter den durch die Kriegs­la­ge be­ding­ten Um­stän­den über­haupt noch in An­griff ge­nom­men wer­den konn­te, ob­wohl an­dern­orts al­les nicht kriegs­wich­ti­ge ein­ge­stellt wer­den muß­te. Ver­mut­lich ge­schah dies, um die Durch­laß­fä­hig­keit die­ser Ost-West-Stre­cke, die für den Nach­schub in Rich­tung Osten wich­tig war, zu er­hö­hen, ob­wohl gleich­zei­tig im­mer we­ni­ger aus­ge­bil­de­tes Per­so­nal zur Ver­fü­gung stand, weil es zum Mi­li­tär ein­ge­zo­gen wur­de. Für den we­gen der Rie­städ­ter Ram­pe er­for­der­li­chen Nach­schie­be­be­trieb soll­te der Ab­schnitt San­ger­hau­sen—Blan­ken­heim so­gar ein drit­tes Gleis be­kom­men.

Kartenausschnitt
Ausschnitt aus der Über­sichts­kar­te der RBD Er­furt 1953

Es sollte eine neues, mehrbegriffiges Sig­nal­sy­stem mit fern­be­dien­ten Er­satz­sig­na­len und Fahrt­re­ge­lungs­sig­na­len ver­wen­det wer­den. Wel­che Sig­nal­be­grif­fe das wa­ren und wie die Fahrt­re­ge­lungs­sig­na­le aus­sa­hen ist nicht be­kannt. Das auf Ok­to­ber 1944 da­tier­te Stre­cken­band, aus dem der un­ten ge­zeig­te Aus­schnitt stammt, macht ei­nen sehr pro­vi­so­ri­schen Ein­druck (Hand­ein­trä­ge usw.). Es ist aber in­so­fern in­te­res­sant, als hier für die Haupt­sig­na­le be­reits die nach 1945 bei der DB üb­li­chen Sym­bo­le für La­ge­plä­ne ver­wen­det wur­den. Ent­sprech­en­de Vor­sig­nal­sym­bo­le fin­den sich da­ge­gen nicht. Dem Stre­cken­band zu­fol­ge wäre die Block­tei­lung auf dem ge­sam­ten Stre­cken­ab­schnitt so dicht ge­we­sen, daß kei­ne al­lein­ste­hen­den Vor­sig­na­le er­for­der­lich wa­ren. Vor­sig­nali­siert wur­de also stets am rück­ge­le­ge­nen Haupt­sig­nal. Nach dem spä­ter bei der DB üb­li­chen Sche­ma hät­ten die Vor­sig­nal­sym­bo­le dann am Mast des Haupt­sig­nals ge­zeich­net wer­den müs­sen. Sig­na­le sind je­weils nur für die Re­gel­fahr­rich­tung vor­han­den, sig­na­li­sier­te Links­fahr­ten wa­ren dem­nach nicht vor­ge­se­hen. Das Stre­cken­band, das erst mit dem Bahn­hof San­ger­hau­sen be­ginnt, zeigt hier auch für die Ein­fahr­ten aus Rich­tung Blan­ken­heim Licht­sig­nal­sym­bo­le. Ver­mut­lich soll­te also auch der Stre­cken­ab­schnitt von Blan­ken­heim Tren­nung bis San­ger­hau­sen mit selbst­tä­ti­gem Stre­cken­block aus­ge­rü­stet wer­den, was so auch den spär­li­chen Fund­stel­len der Nach­kriegs­zeit zu die­sem The­ma zu ent­neh­men ist.

Schematischer Lageplan Sangerhausen
Schematischer Lageplan Sangerhausen 1944

Schalthaus Roßla
Schalthaus am Stellwerk Ro in Roßla

Da in den vorhanden Stellwerken nicht im­mer ge­nug Platz zur Un­ter­brin­gung der zu­sätz­li­chen Re­lais­an­la­ge vor­han­den war, wur­den nach An­ga­ben ei­nes San­ger­hau­se­ner Sig­nal­wer­kers min­de­stens zum Teil se­pa­ra­te Schalt­häus­chen er­rich­tet. Wie die Schalt­an­la­ge der selbst­tä­ti­gen Block­sig­na­le un­ter­ge­bracht war ist un­ge­klärt. An der Stre­cke selbst ließ sich nichts zwei­fels­frei­es fest­stel­len. In­te­res­sant ist aber das für die Sig­na­le ver­wen­de­te Mast­fun­da­ment, das in Form und Ab­mes­sun­gen den spä­ter bei der DB üb­li­chen ent­spricht. Bei der Stadt­fern­bahn Ber­lin wa­ren noch we­sent­lich mas­si­ve­re Fun­da­men­te ver­wen­det wor­den, die ur­sprüng­lich eben­falls auf ei­ner Re­gel­zeich­nung ba­sier­ten und für Form­sig­na­le ver­wen­det wer­den konn­ten, dem­ge­gen­über aber nach ei­ner Nach­rech­nung noch ver­stärkt wor­den wa­ren.

Altes Mastfundament in Sangerhausen
Altes Mastfundament im Bahn­hof San­ger­hau­sen

Auschnitt aus der Regelzeichnung
Regelzeichnung (Ausschnitt)

Der gesamte Streckenabschnitt gehörte bis 1945 zur RBD Kas­sel. Nach dem Krieg fiel er we­gen sei­ner Lage in der so­wje­ti­schen Be­sat­zungs­zo­ne an die RBD Er­furt, nach­dem sich zwi­schen­zeit­lich schon die RBD Hal­le für zu­stän­dig er­klärt hat­te. Be­dau­er­li­cher­wei­se ist es mir bis heu­te nicht ge­lun­gen, an nä­he­re In­for­ma­tio­nen zu die­sem Pro­jekt zu ge­lan­gen. Die Bun­des­bahn­di­rek­tion Kas­sel wur­de 1974 auf­ge­löst, wo ihr dies­be­züg­li­cher Ak­ten­be­stand ver­blie­ben ist, ist mir nicht be­kannt. In den Lan­des- bzw. Staats­archi­ven Go­tha und Mar­burg, die im Zuge der Bahn­re­form den Ak­ten­be­stand der Di­rek­tio­nen Er­furt bzw. Kas­sel aus der Zeit bis 1945 hät­ten über­neh­men sol­len, ist zur Si­che­rungs­tech­nik all­ge­mein über­haupt nichts vor­han­den. Eben­so­we­nig war bei DB-Netz in Er­furt et­was zu fin­den. Soll­te je­man­dem et­was hier­zu be­kannt sein, oder soll­te je­mand be­kannt sein, der hier­zu noch et­was wis­sen könn­te, so bin ich für je­den auch noch so klei­nen Hin­weis dank­bar (E-Mail un­ten links).

Fundament an der Bk SteinbergFundament an der Bk Steinberg
Fundament für einen Sig­nal­aus­le­ger an der Bk Stein­berg, Foto: Ingo Foege 1988

Gespräche mit Eisenbahnern an der Strecke im Jahr 2000 er­ga­ben kein ver­läß­li­ches Bild dar­über, ob die An­la­gen noch in Be­trieb gin­gen oder nicht. Sie sol­len ge­gen Kriegs­en­de aber weit­ge­hend fer­tig­ge­stellt ge­we­sen sein. Dazu paßt auch das Fun­da­ment an der Block­stel­le Stein­berg, das of­fen­bar für einen Sig­nal­aus­le­ger ge­dacht war. Setzt man vor­aus, daß die ver­wen­de­te Schal­tungs­tech­nik der der Ber­li­ner Stadt­fern­bahn ent­spricht, so sind die An­la­gen, soll­ten sie denn über­haupt in Be­trieb ge­gan­gen sein, spä­te­stens seit dem Rück­bau der zwei­ten Stre­cken­glei­se nicht mehr ver­wend­bar ge­we­sen, weil sie kei­nen re­gu­lä­ren ein­glei­si­gen Be­trieb zu­lie­ßen. Nach ei­ner Zug­fahrt ent­ge­gen der Re­gel­fahrt­rich­tung ver­bleibt, wie schon bei den Sv-Sig­na­len be­schrie­ben, je­des zwei­te Block­sig­nal schal­tungs­be­dingt in der Halt­stel­lung. Im Stre­cken­band sind auch kei­ner­lei Sig­na­le für Fahr­ten ent­ge­gen der Re­gel­fahrt­rich­tung ein­ge­tra­gen. In­te­res­sant wäre auch noch, was mit dem aus­ge­bau­ten Ma­te­rial ge­schah. Bei dem da­mals all­ge­mein herr­schen­den Man­gel hat man es ver­mut­lich nicht ver­schrot­tet.


Letzte Änderung am 3.11.2019
© Steffen Buhr