Mühlhausen/Thüringen geboren, jedoch seit dem zweiten Lebensjahr in Berlin wohnend, spielte ich später mit der Modelleisenbahn meines Vaters. Dennoch begann ich nach der in der DDR üblichen zehnjährigen Schulzeit nicht ganz freiwillig die Ausbildung zum Elektrosignalmechaniker bei der Deutschen Reichsbahn. 1981 kam ich noch während der Ausbildung auf den Bahnhof Rummelsburg. Dort hatten wir uns unter anderem auch um den seinerzeit noch mit Signalverbindungen (Sv-Signalen) ausgerüsteten Streckenabschnitt Ostkreuz (a)—Karlshorst zu kümmern, wodurch ich den selbsttätigen Streckenblock der Bauart 1937 kennenlernte. Diese Signale standen in der Regel auf Betonfundamenten und zu jedem Signal gehörte ein verschlossener Schrank, der die zum Signal gehörende Schaltanlage beherbergte.
Irgendwann fielen mir dann an den parallel verlaufenden Ferngleisen ähnliche Schränke und ähnliche, jedoch etwas größere Mastfundamente auf, auf denen keine Signale mehr standen. Außerdem waren die Ferngleise in Richtung Ostbahnhof mit Gleisstromkreisen isoliert und die beiden beteiligten elektromechanischen Stellwerke Rga und Vnk hatten für diese Gleise keinen „richtigen“ Streckenblock, wie ich es während der Ausbildung gelernt hatte. Dort ließen sich die Fahrstraßensignalhebel nach der Auflösung sofort wieder bis 90° umlegen, lediglich das zugehörige Hl-Signal kam nicht gleich in die Fahrtstellung, sondern erst nachdem der Streckenabschnitt freigefahren war. Meine Fragen, was das denn nun gewesen sei, konnte niemand richtig beantworten. Daß dort schon einmal Lichtsignale gestanden haben, war zu erfahren. Angeblich hätten „die Russen“ die als Kriegsbeute abtransportiert. Dazu paßten die stehengebliebenen Schränke jedoch nicht, ohne die die Signale recht nutzlos sind.
Jahre später, inzwischen arbeitete ich im technischen Büro der Signal- und Fernmeldemeisterei, bekam ich von einem Kollegen die Kopie eines Aktenvermerks von 1939, in dem es um eben jene Signale ging:
Betrifft: Einbau der Lichttagessignale für die selbsttätige Streckenblockung auf der Stadtfernbahn. Die Fahrschaulinien zur Ermittlung der Standorte der neuen Licht- tagessignale der Stadtfernbahn wurden für eine Zugdichte von 4 Min aufgestellt. Unter Festsetzung eines durchschnittlichen Bremsweges von 200 m ergab sich bei Anordnung von Haupt- und Vorsignal an ge- meinschaftlichem Mast ein mittlerer Signalabstand von 550 m. […]
Holla, vier Minuten Zugfolge bei nur 60 km/h Höchstgeschwindigkeit auf der Stadtbahn und Zugförderung mit den schwerfälligen Dampfloks. Mein Interesse war aufs neue geweckt. Zunächst vermutete ich, daß es sich um einen Vorläufer des heute noch im Bereich der ehemaligen Deutschen Bundesbahn vorhandenen H/V-Signalsystems handelte, eben nur mit den Nachtzeichen der Haupt- und Vorsignale nach der damals gültigen Signalordnung. Seinerzeit zeigten die Hauptsignale bei Hp 0 ein rotes Licht, bei Hp 1 ein grünes Licht, bei Hp 2 zwei grüne Lichter untereinander und bei Hp 3 drei grüne Lichter untereinander, die Vorsignale bei Vz 1 zwei von links nach rechts steigende gelbe Lichter, bei Vz 2 zwei von links nach rechts steigende grüne Lichter und bei Vz 3 zwei von links nach rechts steigende gelbe Lichter und zusätzlich senkrecht unter dem rechten gelben Licht jedoch höher als das linke gelbe Licht ein grünes Licht. Das sollte sich, was die Hauptsignale betrifft, noch als nicht ganz richtig herausstellen. Leider ließ ich wegen ausbleibender „Fahndungserfolge“ die Sache nach kurzer Zeit wieder einschlafen, was ich später noch bereuen sollte, denn es folgte die Bahnreform.
Wieder einige Jahre später war ich an der Abnahme des elektronischen Stellwerks Berlin Ostbahnhof Fernbahn beteiligt. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an die am ersten Betriebstag nach der Stadtbahnsanierung herrschenden chaotischen Zustände (Verweise s.u.). In diesem Zusammenhang waren Äußerungen zu vernehmen, die geplante dichteste Zugfolge von fünf Minuten sei auf der Stadtbahn überhaupt nicht fahrbar, denen ich selbstverständlich widersprach. Das war für mich der endgültige Anstoß, mich auf die Suche nach den Akten des Projektes „Stadtfernbahn“ zu machen. Ich wurde dann auch fündig und wenn man erst mal dabei ist …
Hier ist eine Auswahl in der Berliner Zeitung erschienener Artikel zur Wiedereröffnung des Fernbahnverkehrs auf der Berliner Stadtbahn am 24. Mai 1998, einem Sonntag:
25. | Mai: | „Chaos auf der neuen Stadtbahn: Züge fielen aus, Bahnhöfe überfüllt“ |
26. | Mai: | „Berliner Pannen wirken sich im ganzen Bundesgebiet aus“ |
6. | Juni: | „Expertengruppe sucht Ursache“ |
Anmerkung zu den Karten: Wegen eventuell noch bestehender Rechte an den Übersichtskarten der Reichsbahndirektion Berlin habe ich sowohl die Rechtsabteilung der DB AG als auch das Landesarchiv Berlin angeschrieben. Beide erklärten sich für nicht zuständig. Gegebenenfalls noch existierende Rechteinhaber betrachte ich daher als zur Zeit nicht ermittelbar, diese werden zutreffendenfalls um Rückmeldung gebeten. Ich bitte darum, von Anfragen nach Kopien oder CD-Versionen der Karten abzusehen.