Grundsätze für die Zungenüberwachung
Aus der Verfügung 80 Ssbm 7 der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft vom 29. Mai 1928:
Für die Zungenüberwachung von hand- und ferngestellten Weichen bei mechanischen Stellwerken gelten bis auf weiteres die nachstehend abgedruckten vorläufigen Grundsätze; sie sind bei Neu- und Erweiterungsbauten sowie bei der Erneuerung von Sicherungsanlagen allgemein anzuwenden. Vorhandene Anlagen, die den Grundsätzen nicht entsprechen, sind gelegentlich nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel zu ändern. Die unter den Ziffern III 1a und III 2 der vorläufigen Grundsätze gewählte Reihenfolge gilt dabei als Reihenfolge der Wichtigkeit.
Etwaige Vorschläge auf Ergänzung der vorläufigen Grundsätze sind dem Reichsbahnzentralamt – von den Reichsbahndirektionen in Bayern durch das Zentralbauamt – mitzuteilen.
Vorläufige Grundsätze für die Zungenüberwachung von hand- und ferngestellten Weichen bei mechanischen Stellwerken
I. Allgemeines
Bei mechanischen Stellwerken werden zur Zungenüberwachung von hand- und ferngestellten Weichen verwendet:
a) | Zungenriegel, die vom Weichenantrieb unabhängig und |
b) | Zungenprüfer, die mit dem Weichenantrieb verbunden sind. |
II. Bauart der Vorrichtungen
A. Der Zungenriegel
- Der Zungenriegel soll die richtige Lage der beiden Weichenzungen überprüfen und die Zungen festhalten. Er ist mit zwei Riegelstangen auszurüsten, von denen an jeder Weichenzunge eine angeschlossen ist. Bei doppelten Kreuzungsweichen, bei denen beide Zungenpaare eines Weichenendes zu verriegeln sind, ist jede Riegelstange mit zwei Zungen verbunden, derart, daß jede Zunge nur die Hälfte der erforderlichen Schiebebewegung auf die Riegelstange überträgt und nur beide Zungen die Riegelstange um den erforderlichen ganzen Weg verschieben können.
- Der Riegel darf nur umgestellt werden können, wenn die anliegende Zunge gut schließt. Für die anliegende Zunge dürfen dementsprechend die Ausschnitte in den Riegelstangen gegen den Riegelkranz einen Spielraum von höchstens 3 mm haben. Für die abliegende Zunge ist ein Spielraum erforderlich, der sich nach der Bauart des Weichenantriebes und des Spitzenverschlusses richtet.
- Der Riegel soll, ehe er die Zungen festlegt, einen ausreichenden Leerweg zu machen haben.
- Der Riegel ist starr mit der Weiche zu verbinden.
- Die Riegelverbindungsstangen müssen mit den Riegelstangen durch leicht zu lösende Bolzen verbunden sein, damit bei Störungen in der Riegelleitung die Weiche durch Abhängen des Riegels umstellbar gemacht werden kann. Die Köpfe dieser Bolzen sind rot zu streichen.
- Alle Bolzen sind senkrecht mit dem Kopf nach oben anzuordnen, damit auch beim Fehlen des Splints das Herausfallen des Bolzens möglichst verhindert wird.
- Der Endriegel erhält einen Anschlag, der ihn bei Leitungsbruch nach einem gewissen Leitungsweg festlegt, damit der Riegelhebel sicher ausschert (vergl. Ziffer II B, 1).
- Beim Zwischenriegel dürfen Leitungsänderungen, die durch Wärmeschwankungen entstehen, keinen Einfluß auf das sichere Verriegeln ausüben. Zwischenriegel in Signalleitungen dürfen die Abwicklung der Leitung bei Drahtbruch und damit das sichere Auf-Haltfallen des Signalflügels nicht hindern.
- Die Zungenriegel werden entweder durch Riegelhebel bewegt oder in den Signaldrahtzug eingeschaltet. In der Regel sind besondere Riegelhebel vorzusehen, damit die Signaldrahtzüge nicht durch die Einschaltung der Riegel zu stark belastet werden. Nur wo dies nicht zu befürchten ist, dürfen Riegel in den Signaldrahtzug eingeschaltet werden. In die Riegelhebelleitung dürfen höchstens vier, in einen Signaldrahtzug höchstens zwei Riegel eingeschaltet werden.
B. Riegelhebel
- Der Riegelhebel muß ausscherbar sein, bei Leitungsbruch muß ein Störungszeichen erscheinen.
- Von gekuppelten Riegelhebeln darf immer nur einer umlegbar sein, die Handfalle des anderen muß festgelegt sein, solange der erste umgestellt ist.
- Das Spannwerk muß genügend Fallhöhe besitzen, damit es bei Leitungsbruch den Endriegel bis zum Anschlag (vergl. Ziffer II A, 7) bewegt und den Hebel sicher ausschert.
- Die Grundsätze zu 1 bis 3 gelten nicht für die zur Betätigung von Riegeln mitbenutzten Signalhebel (vergl. Ziffer II A, 9).
C. Zungenprüfer
- Der Zungenprüfer ist nur für Weichen mit Drahtzugantrieb zu verwenden, für Weichen mit Gestängeantrieb ist er nicht zulässig.
- Der Zungenprüfer soll
a) | die Weichenzungen in ihren beiden Endlagen so festlegen, daß sie bei einem Bruch im Hakenschloß (Spitzenverschluß) oder an der Stellstange keine betriebsgefährliche Bewegung machen können, |
b) | das vollständige Umlegen des Weichenhebels verhindern, wenn bei einem Bruch im Hakenschloß (Spitzenverschluß) oder an der Stellstange eine oder beide Weichenzungen der Hebelbewegung nicht folgen. Bei einem solchen Bruch dürfen auch durch ruckweises Um- und Zurücklegen des Hebels die Weichenzungen nicht so weit bewegt werden können, daß das vollständige Umlegen des Weichenhebels möglich ist. |
- Jede Zunge muß einen besonderen Schieber erhalten, dessen Lage überprüft wird.
- In den Endlagen muß die anliegende Zunge auf dichten Zungenschluß verriegelt werden, während der abliegenden Zunge der für die Auffahrbarkeit der Weiche erforderliche Spielraum zu lassen ist. Die abliegende Zunge darf sich indes nicht soweit der Backenschienen nähern können, daß die Gefährdung eines Fahrzeugs möglich ist.
III. Anwendung der Einrichtung auf Hauptbahnen
- Mit Zungenriegeln (Ziffer Ia) sind zu versehen:
a) | nachgenannte ferngestellte Weichen: |
aa) | die von durchfahrenden Personenzügen gegen die Spitze befahrenen Weichen, |
bb) | die von Personenzügen gegen die Spitze befahrenen Federweichen, |
cc) | die von ein- oder ausfahrenden – nicht aber von durchfahrenden – Personenzügen gegen die Spitze befahrenen Weichen, deren Entfernung vom Beginn oder Ende des Bahnsteigs mehr als 200 m beträgt, |
dd) | die von ein- oder ausfahrenden – nicht aber von durchfahrenden – Personenzügen mit einer Geschwindigkeit von mehr als 45 km/h gegen die Spitze befahrenen Weichen, deren Entfernung vom Beginn oder Ende des Bahnsteigs nicht mehr als 200 m beträgt, |
ee) | die von Zügen gegen die Spitze befahrenen oder als Schutzweichen für Personenzugfahrten dienenden Weichen, deren Leitungslänge bei Drahtzugantrieb mehr als 350 m, bei Gestängeantrieb mehr als 300 m beträgt, |
ff) | die unter Ziffer III 2a bis c genannten Weichen, sofern sie Gestängeantrieb besitzen. |
b) | alle bei Zugfahrten zu sichernden Handweichen, deren Sicherung nicht durch Handverschluß erfolgt. |
- Mit Zungenprüfern (Ziffer Ib) sind die nachgenannten ferngestellten Weichen zu versehen, sofern sie Drahtzugantrieb besitzen und nicht nach Ziffer III, 1 bereits Zungenriegel erhalten müssen:
a) | die von ein- oder ausfahrenden – nicht aber von durchfahrenden – Personenzügen mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h gegen die Spitze befahrenen Weichen, deren Entfernung vom Beginn oder Ende des Bahnsteigs nicht mehr als 200 m beträgt, |
b) | die ausschließlich von Güterzügen mit einer Geschwindigkeit von mehr als 45 km/h gegen die Spitze befahrenen Weichen, |
c) | die im Zugverkehr oder im lebhaften Rangierverkehr gegen die Spitze befahrenen Weichen, die als Schutzweichen für Personenzugfahrten dienen, |
d) | die auf der freien Strecke zweigleisiger Bahnen liegenden ferngestellten und nicht durch Deckungssignal örtlich gesicherten Weichen, die im Regelbetrieb von Personenzügen stumpf, bei Benutzung des falschen Gleises aber gegen die Spitze befahren werden. |
- Bei den ausschließlich von Güterzügen mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h befahrenen Weichen, die nicht unter die Ziffern III 1a (ee) und III 2c fallen, ist in der Regel von besonderen Vorrichtungen für die Zungenüberwachung abzusehen; doch kann ein ohnehin erforderlicher Zungenriegel für derartige Zugfahrten mitbenutzt werden, sofern dies ohne Verwendung eines weiteren Hebels möglich ist.
IV. Anwendung der Einrichtungen auf Nebenbahnen
Ob auf Nebenbahnen sowie bei Weichen, die auf Bahnhöfen von Hauptbahnen liegen und ausschließlich von Nebenbahnzügen spitz befahren werden, Zungenüberwachung vorzusehen ist, muß besonders mit Rücksicht auf die Zuggeschwindigkeit von Fall zu Fall entschieden werden.
Letzte Änderung am 22.12.2003
© Steffen Buhr