Weil Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg durch den Versailler Vertrag die Bewaffnung mit weitreichender Artillerie verboten worden war, strebte das Heereswaffenamt der Reichswehr nach anderen Waffensystemen mit großer Reichweite, die den Versailler Vertrag nicht verletzten. Hierzu förderte und beobachtete man Anfang der zwanziger Jahre unter anderem die seinerzeit recht reißerisch vermarktete, aber oft wenig substantielle Forschungsarbeit und die entsprechenden praktischen Versuche einiger Privatleute mit kleinen Feststoff- und Flüssigkeitsraketen. Eine systematische Grundlagenforschung zur Raketentechnik fand zu dieser Zeit weder in Deutschland noch im Ausland statt.
Mit geringen Mitteln ausgestattet und unter Gewinnung einiger bereits vorher auf diesem Gebiet tätiger Ingenieure begann man dann gegen Ende der zwanziger Jahre auf dem südlich von Berlin gelegenen Schießplatz Kummersdorf mit Versuchen an Raketenantrieben und mit Raketen geringer Abmessungen, um grundlegende Fragen zum Aufbau derartiger Geräte zu klären. Die kleineren Aggregate A1 und A2 konnten noch in Kummersdorf erprobt werden. Als die Geräte jedoch größer wurden und sich auch der Raumbedarf für Versuchsstände, Werkstätten, Labore, Büros usw. vergrößerte, benötigte man ein neues Testgelände. Nachdem mehrere Standorte, jedoch noch nicht der später tatsächlich gewählte, besichtigt worden waren, interessierte man sich zunächst für Prora auf Rügen. In Prora war dem Heereswaffenamt jedoch die nationalsozialistische Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) zuvorgekommen, die dort ein Seebad für zehntausende Urlauber errichten ließ. Deshalb besichtigte man auf einen Hinweis hin die Nordspitze der Insel Usedom und entschied sich 1936 für Peenemünde. Peenemünde wurde ebenso wie Prora wegen der relativ abgeschiedenen Lage und der gut zu kontrollierenden Zufahrtswege, vor allem aber deshalb gewählt, weil man von dort aus die Raketen auf größere Distanzen über die Ostsee entlang der pommerschen Küste verschießen konnte. Dabei waren die Raketen während ihres Fluges gut von an der Küste angeordneten Meßstationen aus zu beobachten. Sie wurden dann soweit möglich nach dem Einschlag in die Ostsee mit Booten geborgen.
Da der Bau eines solchen Testgeländes dem Heereswaffenamt jedoch so teuer erschien, daß man bei den übergeordneten Stellen des Heeres eine Ablehnung befürchtete, vereinbarte man mit der Luftwaffe, ein gemeinsames Testgelände mit getrennten Versuchsstellen für Luftwaffe, Erprobungsstelle der Luftwaffe (Werk West), und Heer, Heeresversuchsstelle Peenemünde (HVP / Werk Ost), zu errichten, zumal man auch Anwendungsmöglichkeiten und damit Erprobungsbedarf für kleinere Raketen und -antriebe bei der Luftwaffe sah. Ab 1939 wurde noch ein Fertigungsstelle Peenemünde (FSP / Werk Süd) genanntes Werk zur versuchsweisen Serienproduktion der A4-Raketen errichtet, das mit seinem hohen geplanten Personalbestand der eigentliche Auslöser für den umfangreichen Ausbau und die Elektrifizierung der Werkbahnanlagen war. Aus Luftschutzgründen wurden die benötigten Gebäude und Versuchsstände in den Kiefernwäldern des Peenemünder Hakens verteilt, wodurch sich nicht unbeträchtliche Wege ergaben. In Karlshagen wurde eine große Siedlung für mehrere tausend Bewohner sowie ein Lager für die Soldaten des Versuchskommandos Nord (VKN), in Trassenheide ein später als Zwangsarbeiterlager genutztes Barackenlager errichtet. Am Hafen Peenemünde entstand im Zusammenhang mit der FSP ein großes Kraftwerk, das mittels einer Elektrofilteranlage rauchfrei arbeitete, dann auch den Energiebedarf der Versuchsstellen zu decken hatte und das per Schiff, bei zugefrorener Peene nötigenfalls per Eisenbahn mit Kohle zu versorgen war.
Für den Aufbau der Versuchsstellen der Luftwaffe und des Heeres war anfangs eine gemeinsame Bauleitung bei der Luftwaffe eingerichtet. Für die wegen der verteilten Lage der Einrichtungen erforderlichen Transporte und wegen der recht großen Entfernung zum nächsten Bahnhof der Reichsbahn wurde eine eigene Eisenbahn errichtet. Werk West und Werk Ost wurden später verwaltungsmäßig getrennt, weil sich die gemeinsame Verwaltung als nicht zweckmäßig erwiesen hatte. Für den Aufbau der FSP wurde 1939 eine eigene, in den ersten Jahren von Berlin aus tätige Bauabteilung eingerichtet, die sogenannte Gruppe VI unter Ministerialrat Schubert, die auch für den Bau der großen Sauerstoffanlage, des Kraftwerks und der zugehörigen Nebenanlagen verantwortlich war. Diese Gruppe VI unterstand ebenso der für die Raketenentwicklung zuständigen Abteilung Wa Prüf 11 des Heereswaffenamts wie das Werk Ost. Leiter der Abteilung Wa Prüf 11 war Oberst Dornberger. Die Gruppe VI arbeitete mit einem in Peenemünde eingerichtetem Heeresneubauamt (HNBA Pee) zusammen. Das HNBA Pee wurde später wieder aufgelöst, seine Aufgaben übernahm die dem Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt Speer unterstehende Baugruppe Schlempp (BGS). Die HVP wurde im September 1941 mit der FSP zur Heeresversuchsanstalt Peenemünde, bestehend aus Entwicklungswerk (EW) und Versuchsserienwerk (VW) zusammengefaßt, beim Kürzel HVP blieb es zunächst. Anfang 1942 wurde aus der HVP dann die Heeresanstalt Peenemünde (HAP), die wiederum 1943 in Heimatartilleriepark 11 Karlshagen (HAP 11) umbenannt wurde.
Nach Kriegsbeginn wurde das Vorhaben Fertigungsstelle auf ein Drittel des ursprünglich vorgesehenen Umfangs reduziert. Insbesondere wurde nur eine der ursprünglich drei vorgesehenen Fertigungshallen und nur die Hälfte des Kraftwerks errichtet. Die Fertigungshallen, für die ursprünglich Stahlbauweise vorgesehen worden war, mußten mit auf die Größe des A4 ausgerichteten, beschränkten Abmessungen in Betonbauweise ausgeführt werden. Man beklagte stets die zu geringe Anzahl zugewiesener Arbeitskräfte und die nicht bedarfsgerechte Stahlzuteilung.
Für die Verwaltung der betriebenen Bahnanlagen und für den Verkehr auf der Werkbahn existierte eine der Heeresversuchsstelle zugeordnete Werkbahnabteilung, die sogenannte „alte Werkbahn“, deren Leiter offenbar ein Hauptmann Haarig war, der aber innerhalb der HVP noch andere Aufgaben gehabt haben muß. Für den Ausbau der „neuen Werkbahn“ hinsichtlich der Belange der FSP, aber auch der der anderen Werke, und damit für die Beschaffung der Oberleitungsfahrzeuge, den Bau der Unterwerke und der Fahrleitungsanlagen sowie für den Aufbau der Stellwerks- und Signalanlagen war die bereits genannte Gruppe VI zuständig, in erster Linie der hiermit beauftragte Ingenieur Butt (VId), der seit Ende 1939 bei der Gruppe VI arbeitete. Mit der Aufnahme des elektrischen Betriebes wurde die gesamte Verwaltung der Bahn an die „neue Werkbahn“ übergeben.
Rechtlich gesehen war die Werkbahn, da sie der Wehrmacht gehörte, vermutlich eine private Anschlußbahn. Zuständige Bahnaufsicht war der Reichsbevollmächtigte für die Bahnaufsicht bei der Reichsbahndirektion (RBD) Stettin, der sich bei Bedarf der entsprechenden Fachleute der RBD und des Reichsbahnamtes Prenzlau bediente.
Die Strecke wurde zunächst vom Bahnhof Zinnowitz der Reichsbahn nach einfachen Standards bis in das Versuchsgelände vorgestreckt und schrittweise ausgebaut. Zur Erschließung der FSP wurde später eine um diese herumgeführte eingleisige Ringbahn und als Ersatz für die bis dahin über das künftige FSP-Gelände verlaufende alte Strecke eine neue, nun zweigleisige Umgehungsbahn gebaut. Im Gegensatz zu den in „Peenemünde – Das Raketenzentrum und seine Werkbahn“[25] hierfür verwendeten Bezeichnungen Innen- und Außenring finden sich in der hier in Auszügen wiedergegebenen Entstehungsgeschichte der Fertigungsstelle Peenemünde (nachfolgend kurz Chronik genannt) ausschließlich die Bezeichnungen Ring- und Umgehungsbahn. Ebensowenig läßt sich anhand der Chronik der vermutete zweigleisige Ausbau[25] der Strecke zwischen den Bahnhöfen Trassenheide Dorf und Trassenheide Lager belegen. Der Einschnitt in der kleinen Anhöhe zwischen Trassenheide Dorf und Lager war bis zu der von der Usedomer Bäderbahn (UBB) Ende der neunziger Jahre durchgeführten Gleiserneuerung augenscheinlich viel zu schmal, um zwei Gleise aufnehmen zu können. Auch Luftbilder von 1943/44 zeigen nur ein Gleis. Trassenheide Dorf und Trassenheide Lager wurden nach dem Krieg von der DR in Trassenmoor Dorf bzw. Lager umbenannt, um Verwechselungen mit dem Bahnhof Trassenheide an der Strecke nach Wolgaster Fähre zu vermeiden.
Außer der in Karlshagen errichteten Siedlung war noch eine „Großsiedlung“ geplant, die zwischen Trassenheide und Zinnowitz sowie dem Bahnhof Trassenheide der Deutschen Reichsbahn und der Ostsee errichtet werden sollte. Diese Planung lief unter persönlicher Beteiligung des Generalbauinspektors Speer bis in den Krieg hinein, wurde aber letztlich nicht verwirklicht. Für diese Siedlung sollte die Werkbahn südöstlich von Karlshagen verlegt und an den auszubauenden Bahnhof Trassenheide der Reichsbahn an der Strecke nach Wolgaster Fähre angeschlossen werden. In dem Zusammenhang wurde erwogen, die alte Trasse von Zinnowitz aufzugeben, weshalb deren Ausbau auf das unbedingt notwendige beschränkt werden sollte. Selbst die Elektrifizierung dieses Abschnittes stand zur Diskussion.
Der Chronik zufolge sind auch nur drei Unterwerke (UW) für den Fahrstrom der Werkbahnzüge errichtet worden, die sämtlich über das vom Kraftwerk ausgehende 15 kV-Netz versorgt wurden, nämlich in Karlshagen, am Nordende der FSP und in Trassenheide Dorf, letzteres in Behelfsbauweise. Die Angaben in der Chronik sind zum Teil widersprüchlich, wahrscheinlich war aber UW I das in Karlshagen, UW II das am Nordende der FSP und UW III das in Trassenheide. Vom UW Karlshagen sollten die beiden anderen UW ferngesteuert werden, die folglich nicht mit Personal besetzt zu werden brauchten. Außerdem wurden von hier aus die Fahrleitungsschalter zum Abschalten einzelner Abschnitte fernbedient. Die auf den Fahrleitungsmasten angeordneten Schalter hatten hierfür elektrische Antriebe. Zusätzlich zur eigentlichen Fahrleitung waren, soweit erforderlich, Verstärkungsleitungen verlegt worden, um den Spannungsabfall in Grenzen zu halten. Manche Abschnitte hatten, wie Fotos belegen, doppelten Fahrdraht. Drei Unterwerke dürften für die bis 1943 erreichte Ausdehnung der Fahrleitungsanlage auch ausreichend gewesen sein, denn die Entfernung von den Enden der Fahrleitungsabschnitte in Zinnowitz, Peenemünde und Werk West bis zum nächstgelegenen Unterwerk betrug stets etwa 2,5 bis 2,6 Kilometer. Der Abstand der UW untereinander überstieg fünf Kilometer nicht, das heißt die drei UW waren recht gleichmäßig auf den gesamten elektrifizierten Bereich verteilt. Daß noch ein weiteres Unterwerk am Hafen auf Vorrat gebaut worden sein könnte[25], scheint nicht zuletzt angesichts des stets herrschenden Materialmangels unwahrscheinlich. Das UW Karlshagen fiel dem Bombenangriff im August 1943 zum Opfer und wurde nicht wieder aufgebaut, im UW Trassenheide waren durch Splitter beide Transformatoren ausgelaufen und die Gleichrichter beschädigt, außerdem wurden die zugehörigen 15 kV-Kabel an mehreren Stellen getroffen. Der Chronik zufolge begann man mit den Reparaturarbeiten, jedoch ist ihr nicht zu entnehmen ob dieses UW wieder in Betrieb ging.
Nicht nur in Bezug auf die Bahntechnik, sondern allgemein wurden für die technischen Anlagen der Versuchsstellen soweit möglich Lösungen gewählt, mit denen an anderer Stelle bereits Erfahrungen gesammelt werden konnten, um nicht den Ausfall wichtiger Teilsysteme und damit Unterbrechungen zu riskieren. Besteller der Ausrüstungen für die Elektrifizierung, der Oberleitungsfahrzeuge, Stellwerkanlagen usw. war stets die Gruppe VI, die hierfür bis zu ihrem Umzug nach Peenemünde einen Briefkopf Oberkommando des Heeres, Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres verwenden konnte, weshalb heute häufig davon zu lesen ist, daß das OKH Besteller gewesen sei.
Anfangs fand nur Güterverkehr mit Dampf- und Diesellokomotiven statt, wobei die Höchstgeschwindigkeit nur 30 km/h betrug. Die Weichen wurden vermutlich örtlich gesichert, auch als bereits Personenverkehr stattfand. Als dann später der Personenverkehr mit den elektrischen Triebzügen beschleunigt und die Fahrgeschwindigkeit gesteigert werden sollte, wurden zur Sicherung der Zugfahrten Stellwerke benötigt. Weil zu Dienstbeginn und Dienstschluß der FSP innerhalb kurzer Zeit tausende Personen von Karlshagen, vom Lager Trassenheide und von der geplanten Großsiedlung zu den einzelnen Stellen der FSP und zurück zu befördern waren, sollten die Signalanlagen eine dichte Zugfolge ermöglichen. Daher orientierte man sich unter anderem an der technischen Ausstattung der Berliner S-Bahn. Der bereits genannte Ingenieur Butt besuchte deshalb Bahnbetriebswerke, Stellwerke und Bahnstromwerke der Berliner und der Hamburger S-Bahn sowie der Berliner U-Bahn.
Für den Werkbahnhof in Zinnowitz sowie die Bahnhöfe Trassenheide Lager und Peenemünde Dorf waren vermutlich herkömmliche elektromechanische Einreihenhebelwerke vorgesehen. Mindestens Zinnowitz und Karlshagen erhielten eine Gleistafel nach dem Vorbild der Berliner S-Bahn. Der größte Bahnhof sollte in Karlshagen errichtet werden. Er sollte außer den vier Bahnsteiggleisen noch mehrere Gleise für Rangierzwecke erhalten. In der Nähe der Bahnsteige wurde auch die Wagenhalle für die elektrischen Triebwagen errichtet. Herz der ganzen Bahnanlage in Karlshagen sollte ein Zentralstellwerk mit einem Vierreihenhebelwerk mit rein elektrischen Verschlüssen, das heißt ohne mechanisches Verschlußregister werden. Ein derartiges Stellwerk hatte die Deutsche Reichsbahn 1938 in Mülheim-Speldorf in Betrieb genommen, mit elektrischen Verschlüssen durften dort allerdings nur die Fahrstraßen für Güterzüge gesichert werden. Für die Personenzugfahrstraßen war noch ein mechanisches Verschlußregister vorhanden, das im Gegensatz zur Anordnung bei den herkömmlichen Mehrreihenhebelwerken unter den Fußboden verlegt worden war.
Vierreihenhebelwerk Mülheim-Speldorf
Das Zentralstellwerk sollte sieben unbesetzte, an den Knotenpunkten des Netzes angeordnete Schaltstellen fernsteuern und erhielt ebenfalls eine Gleistafel. Freie Gleisabschnitte sollen auf den Gleistafeln grün, besetzte dagegen rot ausgeleuchtet gewesen sein.[27] Dies würde einer von der Deutschen Reichsbahn im Jahre 1941 für die Ausgestaltung der Gleistafeln herausgegebenen Richtlinie entsprechen, derzufolge eingestellte Fahrstraßen darüber hinaus gelbleuchtend darzustellen waren. Bei den Gleistafeln der Berliner S-Bahn waren freie Abschnitte dagegen hell (gelb/orange), besetzte dunkel dargestellt. Da mindestens die Umgehungsbahn und die Strecke nach Peenemünde mit Stahlschwellen versehen waren, was den Einbau der Gleisstromkreise verhindert, sollten in den betreffenden Bereichen Achszähler mit Radtastern anstelle der Gleisstromkreise als Freimeldeanlagen verwendet werden. Dies wurde, obwohl bisher wenig erprobt, bei der Werkbahn als weniger störungsanfällig angesehen als die von Vertretern der RBD Berlin empfohlene Isolierung der Schienen gegen die Stahlschwellen. Bei den innerhalb der Ringbahn bereits auf Stahlschwellen verlegten Weichen sollten die Stahlschwellen dagegen noch durch hölzerne ersetzt werden.
Nachfolgend sind in den schematischen Lageplänen alle von mir 1994/95 gesichteten Signalstandorte, soweit ermittelbar mit ungefährer Kilometerangabe eingetragen. Die Richtung, für die das jeweilige Signal gedacht war, läßt sich neben der als Regelfall anzunehmenden Rechtsaufstellung auch anhand des etwa 5 bis 10 m vor jedem Signal angeordneten Schaltschranks bzw. dessen heute noch vorhandenen Betonfundaments feststellen. Die Schränke waren, ausgenommen auf Bahnsteigen, in der Regel deshalb so angeordnet, damit man bei Entstörungsarbeiten vom Schrank aus das Signal beobachten konnte. Die Rechtecke symbolisieren Schaltschrankfundamente, denen kein Mastfundament zuzuordnen war. Die Gleispläne entsprechen nicht unbedingt der tatsächlichen Gleisanlage in jener Zeit, vielmehr kam es mir eben auf die Signalstandorte an. An Stelle des Signals an der letzten Weiche in Zinnowitz fand sich tatsächlich nur ein Schrankfundament.
Gleisanlage nach [25]
Die Gleise des Werkbahnhofs in Zinnowitz sind heute ebenso wie die Kreuzungsgleise in Trassenheide Lager und in Trassenheide Dorf nicht mehr vorhanden. Letzteres ist möglicherweise nie in Betrieb gegangen. Andererseits sind auf einem besseren Abzug eines auf 1944 datierten Fotos[25] andeutungsweise Schienen und Fahrleitung für das abzweigende Gleis erkennbar. Das dort sichtbare Signal steht jedoch noch an der alten Stelle am Bahnsteigende. Für dieses Signal war ein neuer Standort vorbereitet, um es von der Weiche abzurücken. Das entsprechende Mastfundament befand sich bis zur Bahnsteigerneuerung in den neunziger Jahren etwa 20 Meter vor dem im Foto sichtbaren Signal auf gleicher Höhe mit dem auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig. Dessen heute noch vorhandene Bahnsteigkante verläuft ab kurz hinter dem Signalstandort im Bogen, so daß das im Foto sichtbare Signal schon im Weichenbereich gestanden haben muß. Ein unmittelbar vor dem Signal haltender Zug steht dann bereits im Lichtraumprofil des abzweigenden Gleises.
Die Darstellung in Karlshagen entspricht dem Zustand etwa 1995. Grau angedeutet ist der heute noch vorhandene, inzwischen wieder mit einer Schrankenanlage gesicherte Bahnübergang (BÜ) der Strandstraße. An dessen Stelle war ursprünglich eine Brücke für die neue Straße nach Peenemünde vorgesehen, die aber wegen des flachen Kreuzungswinkels und der hier bereits auf vier Gleise ausgedehnten Gleisanlage recht aufwendig geworden wäre. Der Bahnhof Karlshagen Siedlung besaß im Endausbau insgesamt vier Gleise, die jeweils in beiden Richtungen signalmäßig hätten befahren werden können, wenn das Zentralstellwerk in Betrieb gegangen wäre. Bereits ab dem Bahnhof Karlshagen Dorf fächerte sich die Gleisanlage auf, was man – Rechtsaufstellung der Signale unterstellt – aus den vorgefundenen Mastfundamenten ableiten kann. Zu denen rechts des BÜ fanden sich zwar keine Schrankfundamente, trotzdem waren sie wohl für die Fahrtrichtung nach links gedacht.
Der Bahnhof Siedlung erhielt den auch heute noch vorhandenen Bahnsteigtunnel, der im Bild oben auf die alte Straße nach Peenemünde führte und unten nach Unterquerung der neuen Straße vor der neuen Werksiedlung endete. Heute steht er voll Wasser und ist mit Gittern verschlossen. Hinter dem Bahnhof Karlshagen Siedlung begann das Gelände der FSP, an das sich die Werke Ost und West anschlossen. Gleise, die soweit bekannt ist keine Sicherungstechnik erhalten hatten, sind hier nicht dargestellt.
Am Standort des Signals am Gleisbogen oberhalb des zweiseitigen Haltepunktes fand sich ebenfalls nur ein Schrankfundament, jedoch auf der dem Symbol gegenüberliegenden Seite des Gleises. Ob am oberen Bahnsteigende ebenfalls ein Signal stand, läßt sich nicht mehr feststellen, da beide Bahnsteigenden nicht mehr im Ursprungszustand vorhanden sind. Der Abstand zum Signal im Bogen würde dann etwa 140 m betragen. Der Chronik kann man entnehmen, daß diese beiden Bahnsteige der ursprüngliche Haltepunkt für die Halle F1 gewesen sein muß. Möglicherweise wurde der spätere Bahnsteig F1 erst angelegt als der ursprüngliche nicht mehr angefahren werden konnte. An den drei in einer Reihe stehenden Mastfundamenten am Gleiskreuz, wo das zu den Prüfständen führende Gleis abzweigt, fanden sich ebenfalls keine Schrankfundamente, so daß das im Bild rechte Signal möglicherweise auch für die entgegengesetzte Fahrrichtung gedacht gewesen sein kann. Ob die Gleisanlage im Bereich der beiden Kreuze wirklich so gestaltet war, wie oben dargestellt, ist ungewiß. Der Bahnsteig Werk Ost befindet sich tatsächlich etwa 300 m von der Abzweigstelle entfernt. In dieser Richtung folgte nach etwa 2 km das Werk West. Die heutige Betonstraße zum Flugplatz verläuft hinter dem jetzigen Ende des Gleises in etwa auf der alten Gleistrasse, da die ursprüngliche Straße wegen der nach 1945 ausgeführten Startbahnverlängerung aufgegeben wurde. Das Gleisnetz der Werkbahn auf Luftbildern aus dem Jahr 2009. An den Gleisen nach Peenemünde und zum Werk West habe ich bis auf die an den Bahnsteigen keine Mastfundamente für Signale feststellen können. Von den Gleisanlagen im unteren Bild existiert nur noch das oberste Gleis, in dem die Lücke links des Abzweigs nach Peenemünde noch im Krieg geschlossen wurde. Das Gleis zum Flugplatz ist inzwischen abgeklemmt worden. Die UBB hat das verbliebene Streckengleis von Zinnowitz bis Peenemünde in den 90er Jahren vollständig erneuern lassen, wobei gleichzeitig seitliche Entwässerungsgräben angelegt wurden, so daß in dessen Bereich heute überhaupt nichts mehr zu finden ist. Auch die bis dahin noch vorhandenen, weitgehend original erhaltenen Bahnsteige mußten dabei weichen.
Mastfundament (vorne) und Schrankfundament des ehemaligen
Einfahrsignals Trassenheide Lager aus Richtung Karlshagen
Eines der drei Mastfundamente am BÜ Karlshagen mit daraufstehendem Blumenkübel.
Diese Komposition war auch im Dezember 2002 noch so zu besichtigen. Am vorderen
Gleis ist schwach das nächste, heute nicht mehr vorhandene Fundament zu sehen.
Signal- und Schrankfundament an der ehemaligen Umgehungsbahn,
Blickrichtung zur Schaltstelle IIIa. Hier erscheint die hohe Lage über
dem Gelände etwas merkwürdig.
Die vom Zentralstellwerk aus zu steuernden Schaltstellen waren an Knotenpunkten der Gleisanlage angeordnet und numeriert, wobei anfangs die Bezeichnungen Ia bis V, später aber 1 bis 7 verwendet wurden. Sechs der sieben Standorte sind den Zeichnungen oben zu entnehmen, sie lassen sich noch heute recht zweifelsfrei im Gelände lokalisieren. Die Bezeichnungen sind nach den Angaben in der Chronik angegeben, wobei hier die Schaltstellen IV und V eventuell vertauscht sein können. Das Ladegleis der Holzwerkstatt zweigte der Schautafel im Historisch technischen Informationszentrum Peenemünde (HTI) zufolge an der hier mit V beschrifteten Schaltstelle ab, die in der Chronik jedoch als Schaltstelle IV aufgeführt wird. Die Trasse des Anschlusses läßt sich auch heute noch im Gelände ausmachen. Schaltstelle V wird mit „in der Nähe des Verwaltungsgebäudes“ lokalisiert. Das Verwaltungsgebäude der FSP befand sich jedoch in der Nähe des zweiseitigen Haltepunktes, zwischen Ring- und Umgehungsbahn, im Bild oben also links. Die Schaltstelle II stand in der Nähe des Diesellokschuppens, dessen genauer Standort mir nicht bekannt ist. Ein Diesellokschuppen befand sich im Gelände des Werkes Ost an den Gleisanlagen, die sich an das Gleis unten rechts anschlossen, jedoch wurde für die FSP noch ein eigener Diesellokschuppen errichtet. Der Numerierung zufolge müßte die Schaltstelle II zwischen Ib und IIIa, vermutlich im oberen Bereich der Ringbahn in einiger Entfernung zum Zentralstellwerk gestanden haben. Es gab ein kleineres Gebäude am Südende des Bahnsteigs Wasserwerk. Dieses Gebäude dürfte die Schaltstelle II gewesen sein.
Die Schaltstelle Ib fiel etwas größer als die anderen aus, weil in ihr noch zwei zusätzliche Räume für je einen Transformator und ein zugehöriger Schaltraum untergebracht waren. Jede Schaltstelle verfügte über eine eigene Stromversorgungsanlage mit Gleichrichtern und Batterien für Stell- und Überwachungsspannung. Daß in den Schaltstellen Ortsteuereinrichtungen (OSE) für die Fahrleitungsschalter untergebracht waren[25], läßt sich anhand der Chronik nicht bestätigen. Das ergibt auch keinen Sinn, denn die Schaltstellen sollten unbesetzt bleiben. Die Schaltstellen waren an das vom Kraftwerk gespeiste Fernheizsystem der FSP angeschlossen, was man an den noch vorhandenen Rohren sehen kann. Die Gebäude der Schaltstellen Ia, Ib, IIIb und IV stehen heute noch. Ia wird privat genutzt, IIIb steht leer. Ib ist etwas, IV stark beschädigt, hier fehlen bereits Vorder- und Rückwand. IIIa und V sind in sich zusammengefallen.
Grundriß einer kleinen Schaltstelle
Grundriß der großen Schaltstelle Ib
Die Schaltstellen samt Fernsteuerung wurden wahrscheinlich wegen der begrenzten Stellentfernungen für Weichen vorgesehen. Die seit 1935 übliche vieradrige Weichenschaltung für elektromechanische Stellwerke läßt bei deren Stellspannung 136 V einen maximalen Aderwiderstand von 6 Ω zu, womit sich bei 0,9 mm Aderdurchmesser knapp 200 m, bei 1,4 mm etwa 550 m Stellentfernung ergeben. Um die 6 Ω nicht zu überschreiten, wären bei größeren Stellentfernungen unverhältnismäßig große Aderquerschnitte in den Kabeln erforderlich geworden. Auch aus diesem Grund erscheint die Aussage[25], die Strecke zwischen den Bahnhöfen Trassenheide Dorf und Trassenheide Lager sei zweigleisig gewesen, nicht plausibel. Das Stellwerk in Trassenheide Lager befand sich etwa im km 4,7, die südliche Weiche in Trassenheide Dorf etwa im km 2,9. Es hätte folglich ein weiteres Stellwerk in Trassenheide Dorf errichtet werden müssen. Tatsächlich wurde am 16.8.43 bei den Vereinigten Eisenbahnsignalwerken (VES) ein Stellwerk für Trassenheide Dorf in Auftrag gegeben, jedoch ist im Gelände anders als in Trassenheide Lager kein Gebäuderest aufzufinden, so daß es fraglich ist, ob dieses Stellwerk jemals gebaut wurde. Der Chronik zufolge sind in Trassenheide Dorf im Juli 1943 stattdessen automatische Blocksignale in Betrieb genommen worden, folglich befand sich dort zu diesem Zeitpunkt kein Stellwerk.
Eine Fernsteueranlage mit einer ferngesteuerten Stelle hatten die VES Anfang der dreißiger Jahre bereits für die Werkbahn einer Braunkohlengrube bei Bitterfeld errichtet. Dabei liefen zur Übermittlung der Kommandos und Meldungen je ein Schrittschaltwerk in der steuernden und in der gesteuerten Stelle. Die Schrittschalter wurden über eine gemeinsame Kabelader synchronisiert, so daß zu jedem Zeitpunkt beide Schrittschalter auf dem gleichen Schritt stehen. Die erdfreie Schaltung benötigte für die Übertragung nur insgesamt drei Kabeladern zu jeder Schaltstelle. Für die Kommandos wurden in der gesteuerten, für die Meldungen in der überwachenden Stelle Speicherrelais angeordnet, die durch positive bzw. negative Spannung ihre Stellung wechseln und im spannungslosen Zustand beibehalten (polarisierte Relais). Dabei wurden die Schrittschalter nur in Gang gesetzt, wenn Kommandos oder Meldungen zu übertragen waren, wenn also z.B. eine Weiche umzustellen war oder ein Gleisabschnitt frei wurde.
Schrittschalter mit Kontaktrahmen
Zum Schutz vor Verschmutzung waren die Schrittschalter ähnlich wie Motorrelais in staubdicht gekapselte Gehäuse eingebaut. Butt besichtigte im September 1940 in Begleitung des Dezernenten für Sicherungsanlagen der RBD Stettin und eines Vertreters der VES diese Fernsteueranlage und eine ähnliche Anlage der Filmfabrik Wolfen, weshalb man davon ausgehen kann, daß diese Technik in Peenemünde Verwendung finden sollte.
Als Signale wurden solche mit Blendenrelais nach dem Muster der Berliner S-Bahn verwendet. Auch die mechanische Fahrsperre kam zum Einsatz, mit entsprechenden Ausrüstungen sollten außer den elektrischen Triebzügen und den beiden Elloks auch die bereits vorhandenen Akkuzüge und die Dieselloks der Werkbahn ausgerüstet werden. Nach „Peenemünde – Das Raketenzentrum und seine Werkbahn“[25] handelte es sich in Peenemünde um den selbsttätigen Streckenblock der Berliner S-Bahn. Hierbei gibt es jedoch einige Ungereimtheiten. Betrachtet man die Anordnung der Signale, so sieht es auf der Strecke von Zinnowitz bis Karlshagen eher nach herkömmlicher Signalanordnung mit Ein- und Ausfahrsignal, jedoch ausgenommen Zinnowitz ohne Einfahrvorsignale, als nach selbsttätigem Streckenblock aus. Sollte es sich dabei tatsächlich durchgängig um Signalverbindungen gehandelt haben, das heißt Hauptsignal und Vorsignal für das folgende Hauptsignal sind auf einem Schirm vereinigt, so wären, soweit sich anhand der noch vorhandenen Mastfundamente feststellen ließ, Vorsignalabstände bis zu 1500 m entstanden. Selbst für die angestrebten höheren Fahrgeschwindigkeiten wäre aber, wie noch heute bei der Berliner S-Bahn, eine Bremstafel 400 m und folglich ein Regelabstand 400 m zwischen Vor- und Hauptsignal ausreichend. Das würde nach den bereits damals bei der DRG gültigen Grundsätzen Vorsignalabstände größer als 600 m im Regelfall ausschließen. Allerdings kamen solche großen Abstände in der Nachkriegszeit auch im Berliner S-Bahnnetz vor. Einer am 18.2.43 bei den VES stattgefundenen Besprechung zufolge sollte das Vorsignal A des Bahnhofs Zinnowitz ohne Blockabhängigkeiten mit den Begriffen grün-gelb als Warnstellung und grün-grün als Fahrtstellung in Betrieb gehen, ebenso ein entsprechendes Vorsignal nach Trassenheide Dorf. Die rückgelegenen Hauptsignale dürften folglich auf der rechten Schirmseite kein Licht gezeigt haben oder dort war bei Fahrtbegriffen stets Grün angeschaltet.
Wie bereits bei den Sv-Signalen beschrieben, waren die selbsttätigen Streckenblockanlagen in Berlin wegen ihrer Schaltungstechnik nicht für eingleisige Strecken geeignet, weil nach einer Fahrt entgegen der vorgesehenen Fahrtrichtung schaltungsbedingt jedes zweite Signal in der Haltstellung verbleibt. Zur Steuerung der selbsttätigen Blocksignale befindet sich in jedem Blockschrank ein vom Gleisstromkreis des in Fahrtrichtung folgenden Abschnittes gesteuertes Motorrelais, das sogenannte Blockrelais. Will man auf einem Gleis in beide Richtungen fahren, so hätte man die Freimeldeinformation, also das Blockrelais je nach Fahrtrichtung mal an einem mal am anderen Ende des Abschnittes gebraucht, die Speisung jeweils am entgegengesetzten Ende. Die Freimeldeabschnitte hätten also umschaltbar eingerichtet werden müssen oder es wäre eine signaltechnisch sichere Übertragung der Freimeldung von jedem Blockschrank über Kabel zum Nachbarstellwerk bzw. zum Nachbarblockschrank und in beiden Fällen ein Erlaubniswechsel erforderlich gewesen. Bei den mit Achszählern ausgerüsteten Abschnitten kann die Vorsignalinformation nicht wie üblich über verschiedene Phasenlagen im Gleisstromkreis und die daraus resultierende Links-/Rechtsdrehung des Blockrelais übertragen werden, so daß hierfür eigene Kabeladern verwendet werden müssen. All dies gab es in Berlin nicht, weil hier nur zweigleisige, planmäßig nur im Richtungsbetrieb befahrene Strecken mit dichter Zugfolge Sv-Signale erhielten. In Peenemünde waren aber bis auf die Umgehungsbahn, das ist im unteren Gleisplan der am unteren Bildrand verlaufende Abschnitt, nur eingleisige Strecken vorhanden, so daß ein hierfür geeignetes Selbstblocksystem erforderlich gewesen wäre. Derartiges gab es jedoch, soweit mir bisher bekannt ist, bei keinem der damaligen selbsttätigen Blocksysteme in Deutschland. Ohnehin waren die meisten Signale ihrem Standort zufolge halbselbsttätig, das heißt sie wurden vom Stellwerk aus auf Fahrt gestellt, weil sie Weichen zu decken hatten. Andererseits berichtet die Chronik von der Inbetriebnahme automatischer Blocksignale in Trassenheide Dorf und in Karlshagen. Insofern bleibt dies alles unklar, Aufschluß könnten nur die entsprechenden Schaltungen liefern.
Für die Stellwerke in Zinnowitz und Peenemünde sowie für das Zentralstellwerk waren Signalfernsprecheranlagen geplant. Der Begründung für deren Notwendigkeit ist zu entnehmen, daß auch die Blocksignale Rot als Haltbegriff erhalten sollten. Das bei der Berliner S-Bahn übliche Fahren auf Sicht ohne Auftrag durch einen Fahrdienstleiter (permissives Fahren) war demnach nicht vorgesehen. Folgerichtig sollten alle Signale Ersatzsignale in der damals üblichen Form erhalten, die vom Fahrdienstleiter des zuständigen Stellwerks bedient werden sollten.
Das Stellwerk Peenemünde sollte zeitweilig unbesetzt bleiben, weshalb die am Ortseingang vorgesehene Schrankenanlage wahlweise vom Stellwerk oder vom in der Nähe des BÜ gelegenen Bahnsteig aus bedient werden sollte. Dies läßt sich mit den herkömmlichen mechanischen Schrankenanlagen mit handbedienten Windenböcken nicht bewerkstelligen, weshalb mindestens die hier geplante Anlage wohl einen elektrischen Windenantrieb gehabt hat. Vor dem Bahnhof Werk West, dort wo Bahngleis und Straße ihre Lage vertauschten, gab es eine selbsttätige Warnlichtanlage. Am BÜ der Umgehungsstraße mit dem zu den Prüfständen führenden Gleis gab es eine handbediente Warnlichtanlage, die nach Inbetriebnahme des Zentralstellwerkes und der Schaltstellen in eine selbsttätig arbeitende umgebaut werden sollte. Weitere, durch örtliche Posten bediente Schrankenanlagen waren in Trassenheide Dorf und Lager, in Karlshagen, an der Hauptwache und innerhalb der HVP sowie an den BÜ der Zufahrt zur FSP über Umgehungs- und Ringbahn vorgesehen. Letztere sollten ursprünglich vom Zentralstellwerk aus mitbedient werden, erhielten dann aber doch örtliche Posten.
Um die FSP herum wurde ein Zaun gezogen, der zwischen Ringbahn und Umgehungsbahn verlief. Damit dieser im Bereich der Gleisanlagen nicht offen blieb, wurden an beiden Gleisen der Ringbahn in der Nähe der Wache am Eingang zum FSP-Gelände und am Verbindungsgleis von der Ringbahn zur Umgehungsbahn Tore vorgesehen. Diese sollten elektrischen Antrieb erhalten und mit den Signalanlagen abhängig gemacht werden, um Fahrten bei geschlossenen Toren zu verhindern. Butt besichtigte daher eine vergleichbare Anlage am S-Bahnhof Landsberger Allee in Berlin, wo die Zufahrt zum Zentralviehhof entsprechend gesichert war.
Im Verlauf der Jahre beklagte Butt mehrfach den nur schleppend vorankommenden Aufbau der Stellwerks- und Schaltstellengebäude, dann den der Signalanlagen. Weil der Verkehr inzwischen aber langsam zunahm, wünschte die „alte Werkbahn“ im Oktober 1941 die Einrichtung eines etwa 200 m langen Kreuzungsgleises in Trassenheide Dorf. Schon im November hatte man es sich anders überlegt und wünschte nun stattdessen ein Kreuzungsgleis und einen zweiten Bahnsteig in Trassenheide Lager, weil das Lager jetzt belegt werden sollte. Im Dezember 41 trug sich die Leitung der „alten Werkbahn“ mit der Absicht, noch mechanisch bediente Signale für Zinnowitz, Trassenheide Dorf, Trassenheide Lager, Karlshagen Siedlung, das Kreuz an der Straßenabzweigung nach Peenemünde sowie die Haltestellen Werk Ost und Werk West zu beschaffen. Anscheinend ging auch ihr der Aufbau der elektrischen Signalanlagen zu langsam vorwärts. Dieses Ansinnen wurde von Butt abgelehnt, weil für Mai 1942 „mit Sicherheit“ mit der Inbetriebnahme der neuen Signal- und Stellwerkanlagen zu rechnen sei. Im Januar 1942 fiel stattdessen die Entscheidung, das Gebäude des Zentralstellwerks, das noch nicht trocken und innen nicht verputzt war und dem noch Fenster und Türen fehlten, ebenso wie die Schaltstellen IIIa und IIIb an den beiden Gleiskreuzen behelfsmäßig herzurichten und mit provisorischen Stellwerkanlagen auszurüsten. In der Schaltstelle IIIa sollte ein von den VES auszuleihendes Hebelwerk aufgestellt werden. Die Schaltstelle IIIb sollte dann vermutlich von IIIa aus mitgestellt werden. Ob im Zentralstellwerk das in vier Wochen anzuliefernde Hebelwerk verwendet werden sollte, ist nicht ganz klar, die Gleistafel hing dort jedenfalls im März 42. Zu diesem Zeitpunkt vermeldet die Chronik immerhin noch: „Da die Bahnstrecke zur Zeit durch keinerlei Signale gesichert ist, darf diese nur mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h befahren werden.“ Das Stellwerk für Zinnowitz wurde erst am 7.2.42 bei den VES in Auftrag gegeben. Am 10.5.42 wurde das Kreuzungsgleis in Trassenheide Lager in Betrieb genommen, vom Stellwerksgebäude war zu dieser Zeit noch nichts zu sehen. Folglich müssen die Weichen örtlich gesichert worden sein. Die Inbetriebnahme der provisorischen Anlage Karlshagen wurde erst auf den 1.6., dann auf den 20.6. verschoben. Tatsächlich wurde sie aber erst am 2.9.42 zusammen mit einer ebenfalls provisorischen Anlage in Zinnowitz abgenommen. In Zinnowitz beauftragte der Fahrdienstleiter (Fdl) telefonisch einen in der Gleisanlage stationierten Weichenposten, den Fahrweg mit Handschlössern zu sichern. Der Weichenposten hatte den gesicherten Fahrweg anschließend telefonisch zu melden, worauf der Fdl ohne irgendwelche technische Abhängigkeiten den Signalhebel bediente. Wo der Fdl untergebracht war bleibt unklar, denn noch am 25.9. wird konstatiert, daß das Stellwerksgebäude in Zinnowitz noch nicht fertiggestellt und den VES mitzuteilen ist, daß das zugehörige Hebelwerk noch im Werk, also in Berlin zu belassen ist. Ebenso unklar ist, ob als Signale schon die Sv-Signale verwendet wurden, denn zum selben Zeitpunkt wurde gegenüber den VES die Lieferung der noch ausstehenden Signalmaste für Trassenheide Lager und Zinnowitz angemahnt.
Immerhin konnte man für den 25.1.43 das eintreffen der letzten Schnellbahnwagen, für den 4.2. die Inbetriebsetzung des ersten Gleichrichters im UW Karlshagen und das unterspannungsetzen der Fahrleitungsanlage sowie für den Folgetag den ersten Fahrversuch mit einem Viertelzug verzeichnen.
Am 18.2.43 traf man sich wieder mit Vertretern der VES, um den Fortgang zu beschleunigen. Unter anderem wurde dabei festgelegt, das Provisorium vom Bahnhof Siedlung nach Inbetriebnahme der Schaltstellen 1 und 2 (vermutlich Ia u. Ib) nach Peenemünde West zu versetzen. Dieses Provisorium, ein Tischhebelwerk, sollte vorher jedoch noch von einer nicht angegebenen Stelle auf den Bahnsteig B des neuen Bahnhofs Siedlung in den Dienstraum versetzt werden. Demnach wurde das Vierreihenhebelwerk im Zentralstellwerk nicht provisorisch in Betrieb genommen. Bei dessen Besichtigung wurde nochmals die baldige Zusendung der Gleistafel angemahnt. Da mit deren Montage in Karlshagen bereits vor knapp einem Jahr begonnen wurde und im März verzeichnet worden war, daß sie nunmehr im Gebäude hänge, bedeutet dies, daß die Gleistafel nocheinmal nach Berlin gebracht werden mußte. Anders als bei den heutigen Gleisbildstellwerken, bei denen Stelltische und Meldetafeln aus auswechselbaren Elementen mit gleichen äußeren Abmessungen zusammengesetzt sind, waren die damaligen Gleistafeln stets Einzelanfertigungen, weil die Gleisstreifen mit Schlitzen in der Deckplatte dargestellt wurden, hinter denen auf dem Kastenboden die zugehörigen Lampenfassungen befestigt waren. Veränderungen der Gleisanlage führten daher zu aufwendigen Änderungsarbeiten an der Gleistafel. Vermutlich waren also solche Arbeiten auszuführen gewesen. Nachdem am 13.7. das Stellwerk Trassenheide Lager von der Deutschen Reichsbahn abgenommen worden war, wurde es am 18.7. in Betrieb genommen. Im Zusammenhang damit sollen auch automatische Blocksignale in Karlshagen und Trassenheide Dorf in Betrieb genommen worden sein.
In der Nacht vom 17. zum 18.8.43 fand der erste große Luftangriff auf Peenemünde statt, bei dem außer zahlreichen Todesopfern auch beträchtlicher Sachschaden zu verzeichnen war. Auch die Bahnanlagen waren nicht verschont geblieben. Von den Bauten für die Sicherungstechnik wird jedoch nur die Schaltstelle 3 (vermutlich II) im Januar 1944 als zerstört benannt, nicht aber das Zentralstellwerk.
Am 4.1.44 saß man erneut mit den Vertretern der VES zusammen, diesmal, um ihnen zu eröffnen, daß die Arbeiten am Zentralstellwerk und den zugehörigen Schaltstellen 3 bis 7 (vermutlich II, IIIa, IIIb, IV u. V) sofort einzustellen sind. Man stellte fest, daß „von der VES lediglich und auf wiederholtes Mahnen hin die Anlage Trassenheide Lager, Trassenheide Dorf und Karlshagen nach etwa 3/4 Jahr Montagedauer am 17.7.43 in Betrieb genommen“ wurde. Mit Trassenheide Dorf kann hier allerdings nicht das bestellte Stellwerk gemeint sein, weil dieses nicht Gegenstand der seinerzeitigen Abnahme gewesen ist. Folgerichtig steht im selben Bericht: „Inwieweit der Einbau der Sicherungsanlage Trassenheide Dorf notwendig wird, muß der VES alsbald mitgeteilt werden.“ Das dem Bericht zufolge noch immer nicht endgültig fertiggestellte provisorische Stellwerk Siedlung und das Stellwerk Zinnowitz sollten dagegen „mit allen Mitteln alsbald“ fertiggestellt werden. Auf dem Bahnhof West sollte dann in eigener Regie der HAP eine Signalanlage errichtet werden. Das hierzu benötigte Material sollte entweder dem Zentralstellwerk oder der zerstörten Schaltstelle 3 entnommen werden. Am 6.1.44 lehnte der nunmehrige Kommandeur Zanssen, der inzwischen Dornbergers Nachfolger geworden war, unter anderem die Fertigstellung des Kreuzungsgleises Trassenheide Dorf ab. Zum Stellwerk Hafen findet sich in der Chronik nichts mehr, obwohl es am 18.3.41 in Auftrag gegeben worden war.
Bereits nach dem ersten großen Luftangriff im August 1943 setzte die Verlagerung wichtiger Teile der HAP in bombensichere Bauten ein, selbst die große Sauerstoffanlage sollte zunächst verlagert werden. Daher rechnete man für die Zukunft vermutlich nur noch mit einem reduzierten Werkbahnbetrieb, nicht mehr mit dessen Zunahme. Hierfür mögen die bis dahin geschaffenen Sicherungsanlagen als ausreichend angesehen worden sein.
Das ehemalige Stellwerk der Werkbahn in Zinnowitz,
das heute als Wohnhaus genutzt wird
Von Nordhausen aus gingen 1945 etwa 12 t aus Peenemünde stammender Akten über Goslar in die USA. Diese sind bis heute nur zum Teil nach Deutschland zurückgekehrt. Allerdings war noch während der Verlagerung aus Peenemünde verfügt worden, für das Raketenprogramm nicht wichtige Akten zu vernichten, so daß nicht klar ist, ob Akten zur Werkbahn überhaupt in die USA gelangten. Für die Sieger wären diese Akten ohnehin kaum von Interesse gewesen. Das Peenemünder Gelände wurde 1945 von der Roten Armee besetzt, die alles noch verwertbare, darunter auch die Anlagen für die elektrische Zugförderung reparationshalber abtransportierte und die übriggebliebenen Gebäude gemäß alliierter Vereinbarungen sprengte. Von kleineren Gebäuden abgesehen, blieb nur das Kraftwerk und das Gebäude der Sauerstoffanlage in der Nähe des Ortseingangs in Peenemünde ausgenommen. Aus letzterem wurden jedoch die Anlagen entfernt.
Konkrete Akten, Lagepläne usw. zur Werkbahn aus der Zeit bis 1945 ließen sich weder im Staatsarchiv Greifswald, in dem Teilbestände der RBD Stettin vorhanden sind, noch im Bundesarchiv, Militärarchiv Freiburg, noch im Deutschen Museum München, wo jeweils Teilbestände der 1945 in die USA gebrachten und bis heute nur zum Teil von dort zurückgekehrten Akten zu Peenemünde vorhanden sind, finden. Deshalb bin ich auch hier über jeden Hinweis auf Akten oder Personen mit entsprechenden Kenntnissen dankbar (E-Mail unten links).